In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge ungewöhnliche Nachbarn vor

Maxvorstadt · Stadt-Bewohner

Andy Reiter hat das Schüler-Hausaufgabenheft erfunden, inzwischen leitet er den Münchner Häfft-Verlag.                  Foto: Privat

Andy Reiter hat das Schüler-Hausaufgabenheft erfunden, inzwischen leitet er den Münchner Häfft-Verlag. Foto: Privat

Maxvorstadt · Die besten Geistesblitze ereilen einen angeblich immer dort, wo weder Stift noch Papier bereitliegt: im Bett, auf der Toilette oder in der Dusche. Bei Andy Reiter war das etwas anders. Papier gab es genug, schließlich saß er in der Schule. Neben dem eher langweiligen Unterricht ging ihm eines besonders auf den Keks: Sein Hausaufgabenheft.

Ein paar lieblose Blätter, grau in grau, mit wenigen Zeilen für jeden Tag, in die er seine Hausaufgaben eintragen musste. »Das geht doch besser«, dachten sich er und sein Kumpel Stefan Klingberg. Beide waren damals nicht nur Schüler, sondern auch Redakteure der Schülerzeitung am Gymnasium Fürstenried-West. Von guter Gestaltung hatten sie also eine ungefähre Ahnung und so wagten sie ich an ein ganz eigenes Hausaufgabenheft für ihre Schule.

Aus Kostengründen zwar auf dem Schulkopierer in schwarzweiß gedruckt, aber mit witzigen Zeichnungen, frechen Sprüchen und liebevoller Gestaltung. 400 von den Heften verkauften sie auf Anhieb. Schüler anderer Münchner Schulen wurden darauf aufmerksam und verkauften sie an ihren Schulen. Drei Jahre später gab es ihr Hausaufgabenheft schon in ganz München zu kaufen, 1996 in Bayern. Aus den Schülerzeitungsredakteuren waren Verleger geworden, wenn auch sehr improvisiert. Mangels Geld für einen aufwändigen Vertrieb reisten die Macher aus München in einem alten VW-Bus durch Bayern und lieferten ihre Hausaufgabenhefte direkt an die Schulen. Das ist Vergangenheit – »Das Schüler-Hausaufgabenheft«, wie es offiziell heißt, gibt es heute fast überall in Deutschland.

Immer mehr Schüler aller Schularten greifen begeistert zu – schon im Jahr 2000 wurde das »Häfft«, wie es seine Benutzer liebevoll nennen, zum meistverkauften Schülerkalender in ganz Deutschland, »inzwischen kommt selbst die ‚Bravo’ nicht an unsere Auflage heran«, freut sich Gründer Andy Reiter. Und das, obwohl sein Hausaufgabenheft eigentlich nie für den Massengeschmack gedacht war. »Wir haben nie Stars vorgestellt oder die Musik-Charts diskutiert«, erklärt er und scheint sich dabei selber noch zu wundern, was aus einer langweiligen Schulstunde entstanden ist. Und dass er Dank dieser Idee von der Schulbank direkt in den Chefsessel wechseln konnte. Der kleine Verlag, den Reiter heute in der Münchner Maxvorstadt leitet, beschäftigt 10 Mitarbeiter, sein früherer Schulfreund und heutiger Kompagnon Klingberg kümmert sich von Berlin aus um das Marketing. Natürlich haben es die findigen Münchner nicht bei einer Idee belassen.

Inzwischen bieten sie auch Hausaufgabenhefte für Grundschüler und Zeitplaner für Studenten an, daneben Vokabelhefte von Englisch über Spanisch bis Russisch, außerdem gibt es das beliebte Hausaufgabenheft auch komplett auf englisch, um ganz nebenbei die Sprache zu trainieren. Aber genau so wichtig wie die Hausaufgaben ist für Reiter auch der Spaß in der Schule. »Schließlich ist die Schule nicht nur zum Büffeln da!«, sagt er. Dass gute Noten übrigens nicht das einzig Wichtige in der Schulzeit sind, hat er selbst bewiesen. Seine Karriere gelang ihm auch mit einer mittelmäßigen »Drei« im Abizeugnis. G. Wagner

Artikel vom 14.03.2007
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