Albrecht Ackerland übers Kranksein

München - „Da schau her“

Da müssen Sie jetzt durch. Muss einfach sein. Vorausgesetzt, Sie sind gerade gesund. Falls Sie gerade krank sind, oder zumindest nicht ganz fit, wünsche ich Ihnen freilich alles Gute! Wird schon wieder – Unkraut vergeht nicht, könnte ich jetzt nonchalant sagen, aber ich brauche Sie ja als Leser. Obwohl: In der aufgeklärten weil naturliebenden Gärtnerszene gibt es das „Unkraut“ längst nicht mehr, politisch korrekt muss es „Beikraut“ heißen.

Aber auch Beiwerk sollen Sie weder für mich wie für keinen Schreiber sein. So betrachte ich Sie, ohne dass wir uns unbedingt persönlich bekannt sind, viel mehr als Nutzpflanze. Und Zierpflanze: So viel Schmeichelei muss sein. Botanisch gesehen könnten Sie also beispielsweise Zierkohl sein, ja, den gibt es wirklich.

So, jetzt müssen Sie aber wirklich durch, quasi im Nachhinein mit mir. Das soll keine Strafe sein, aber als Leser einer fortlaufenden Berichterstattung über das Leben des Schreibers gehört das eben auch dazu. Ich: war krank.

Ist erst einmal nichts Besonderes, kann jedem passieren, Beikraut vergeht nicht, sagen Sie? Stimmt auch, nur war mein einzelner Krankheitstag – mehr Tage waren es zum Glück nicht – eine derartige Grenzerfahrung, wie ich sie selten hatte. So möchte ich diese Ihnen auch nicht vorenthalten.

Zur Beschreibung der Erkrankung nur folgende Stichpunkte: Magen, Darm. Das sollte reichen. Vielleicht das noch: Mit ein bisserl Bauchweh und einem charmanten Koppara, wie ihn sonst ein kräftiger Schluck Weißbier nach sich zieht, war’s nicht getan. Nein: Ich musste leiden. Und war erstaunt, was so ein Körper alles kann.

Das ist wohl auch der höhere Sinn von Erkrankungen, dass der jeweilige Besitzer daran erinnert wird, dass er einen Körper hat. Und dass er merkt, wie schön es ist, wenn er – wie hoffentlich meistens – nicht merkt, dass er einen Körper hat, weil er eben nicht schmerzt. Wenn sich der Magen krampfartig auf die gefühlte Größe einer Nuss zusammenzieht, wird einem sehr schnell klar, dass ein beschwerdefreies Leben doch ganz schön sein kann.

Das Beste an uns Menschen ist, dass wir Unangenehmes recht schnell aus dem Hirn löschen können. So ist ein schlimmer Krankheitstag eben vor allem währenddessen schlimm. Am Tag danach war alles halb so wild. Beikraut, so hat es sich wieder gezeigt, vergeht eben nicht. Schade nur, dass auch das hundertfache Vorbeten einer gewissen Formel, nicht in der Gegenwart hilft, zumindest nicht bei Krankheitstagen. Sie funktioniert für einen selbst immer nur in der Vergangenheit: „Da musste ich halt durch!“ Sehen Sie: war doch gar nicht so schlimm! Da mussten Sie jetzt durch.

Artikel vom 22.02.2007
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