Wie Migranten in München leben, zeigt die Ausstellung „ZwischenWelten“

München - „Meine Koffer sind immer gepackt“

Deutschland riecht nach Bananen, wie man in der Schau „ZwischenWelten“ erfährt.	
Fotos: Christine Auerbach

Deutschland riecht nach Bananen, wie man in der Schau „ZwischenWelten“ erfährt. Fotos: Christine Auerbach

Deutschland schmeckt nach Leberkässemmeln, Sauerkraut, Pommes und Brot. Nach Tütensuppe schmeckt es nicht. Nach sauren Gurken auch nicht. Dafür riecht es auch nicht nach Toiletten, sondern nach Waschmittel und Bananen.

Wie es ist, als Migrant in München und Deutschland zu leben, und wie man sich organisiert, um nicht zwischen den Welten verloren zu gehen, zeigt die Ausstellung „ZwischenWelten“ in der Thomas-Mann-Halle des Hauptgebäudes der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Initiiert und durchgeführt wird die Schau von Studenten des Masterstudiengangs Osteuropastudien.

„Migration ist ein wichtiges Phänomen, das im Kontext mit Osteuropa selten hervorgehoben wird“, erklärt Lilla Bálint, Studentin und Mit-Organisatorin der Ausstellung. „Wenn zurzeit von Migration gesprochen wird, betrachtet man meist nur muslimische Herkunftsländer.“ Um das zu ändern, befasst sich die aktuelle LMU-Ausstellung deshalb ausschließlich mit Osteuropa, den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und Ex-Jugoslawien.

Dass die Studenten hierfür die richtigen Ansprechpartner sind, zeigt die Zusammensetzung des Studiengangs: 50 Prozent von ihnen sind selbst Ausländer, vorwiegend aus Osteuropa. „Unsere Studenten kennen das Gefühl, fremd zu sein. Sie wissen selbst, was Migration bedeutet“, ist Annette Winkelman, Koordinatorin des Studiengangs, überzeugt. Diese eigene Betroffenheit, das „Wissen, wie es ist“, sei hilfreich bei der Arbeit an einer derartigen Ausstellung – es könne aber auch zur Last werden. Lilla Bálint zum Beispiel, die zwar in München aufgewachsen ist, deren Eltern aber aus Ungarn stammen, hat es bewusst vermieden, sich Ungarn als Gesprächspartner zu suchen. „Die Objektivität des Forschers ist sowieso eine Illusion, wenn ich jetzt auch noch Ungarn interviewt hätte, wäre es noch illusorischer geworden.“

Diese Mischung aus Enthusiasmus, großer Affinität zum Thema und dem gleichzeitigen Versuch, sich der Migration auf wissenschaftlicher Weise anzunähern, merkt man der Ausstellung an. Neben kurzen, informativen Texten kommen vor allem Migranten selbst zu Wort. Au-Pair-Mädchen, Musiker, Künstler, Studenten und Arbeiter erzählen in kurzen Interviews, was sie nach München brachte: Von der Liebe bis zur politischen Verfolgung sind alle Beweg-gründe vorhanden. Dazu kommt, dass sich viele der Migranten, vor allem seit des Falls des eisernen Vorhangs, zwischen zwei Ländern bewegen: „Ich lebe hier und da. Meine Koffer stehen immer bereit“, sagt zum Beispiel Zuzanna Knot, die seit 16 Jahren zwischen München und Tschechien pendelt.

Einrichtungen und Vereine, in denen man sich mit Landsleuten treffen und die Heimatsprache hören kann, sind seit Beginn der Migration ein wichtiger Fixpunkt: Sei es nun die russisch-orthodoxe Gemeinde, der Kegelklub Croatia oder die Tolstoi-Bibliothek – ohne Zusammenhalt geht es nicht.

Dass dieser Zusammenhalt im Exil auch in der alten Heimat etwas bewirken kann, zeigen Projekte wie der Radiosender „Radio Free Europe“, welcher bis Anfang der 90er Jahre aus der Öttingenstraße Sendungen in Originalsprache nach Osteuropa ausgestrahlt und einen Arbeits- und Integrationsplatz für die Migranten in München geboten hat. „Bayern hat schon immer eine lange und intensive Beziehung zu Osteuropa unterhalten.“ So erklärt Annette Winkelmann, warum sich gerade München als Platz für einen Osteuropa-Studiengang und eine derartige Ausstellung anbietet. München sei eines der großen Zentren für die Forschung auf diesem Gebiet: „Die Staatsbibliothek ist die größte Fachbibliothek für Literatur über Osteuropa, und an der LMU gibt es sehr viele Spezialisten. Alleine in den Politikwissenschaften gibt es drei Professuren für Osteuropa“.

Trotz dieser „forschungslastigen“ Ausgangslage erstickt die Ausstellung nicht in Text und Theorie. Neben Fotos und einigen gezielt platzierten Objekten geben vor allem Kollagen, in denen die Migranten ihr Leben in München „bebildern“, eine sehr persönliche Note. So findet sich neben dem Schriftzug „Made in Germany“ ein Bild von Schröder im Gespräch mit Putin, anschließend eine Butterbreze und ein Bayer in Lederhosen. Dazu eine Stellwand mit Aussagen, wie Deutschland riecht, schmeckt, sich anhört und anfühlt. Natürlich wird da bisweilen das ein oder andere Klischee aufgegriffen, aber wer weiß, vielleicht schmeckt Deutschland wirklich nach Pommes und Brot. Und nicht nach sauren Gurken.

Die Schau ist noch bis 31. Januar immer montags bis freitags von 9 bis 22 Uhr, samstags von 7 bis 20 Uhr zu sehen – in der Thomas-Mann-Halle im ersten Stock des LMU-Hauptgebäudes am Geschwister-Scholl-Platz, der Eintritt ist frei. Von Christine Auerbach

Artikel vom 18.01.2007
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