In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge ungewöhnliche Nachbarn vor

München · Stadt-Bewohner

Hans Triebel pflegt das Bairische. Und spricht es ohne Punkt und Komma. Foto: Privat

Hans Triebel pflegt das Bairische. Und spricht es ohne Punkt und Komma. Foto: Privat

München · Es gibt Menschen, die gerne reden. Solche, die nur ein Stichwort brauchen, und los geht’s. Hans Triebel ist so ein Mensch. Einer, der nicht langweilt – obwohl er bisweilen ohne die sprichwörtlichen Punkte und Kommata reden kann. An manchen Menschen nervt das Plappern ohne Unterlass gewaltig. Hans Triebels Ausführungen aber sind kein Geplapper. Man hört ihm gerne zu. Vorausgesetzt: das Ohr ist geübt.

Das Triebelsche Bairisch, gepaart mit seiner Sprechgeschwindigkeit, verlangt nach Konzentration beim Zuhörer, wenn der kein Muttersprachler ist.

Genau die Muttersprache aber ist es, die den Triebel Hans so sehr beschäftigt. Muttersprache: Bairisch. Der bald 54-Jährige war Vorsitzender des Fördervereins für Bairische Sprache und Dialekte – zu Hoch-Zeiten des Vereins vor vier, fünf Jahren. Bis zu 3.000 Mitglieder hatte jener zu diesen Zeiten, doch interne Querelen ließen den Mitgliederstamm bröckeln. Immerhin aber seien noch 1.500 im Verein organisiert, verteilt über mehrere »Landschaftsverbände«. Triebel steht dem des Miesbacher Oberlandes vor.

Zu genannten Zahlen erreichte die Redaktion eine Stellungnahme des Geschäftsführers Peter von Cube des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte e.V. (FBSD): "In der Zeit als Vereinsvorsitzender des Gesamtvereins (1994 bis 2004) konnte Hans Triebel eine Höchstmarke von 2460 Mitgliedern (August 2004) verzeichnen; nach dem Führungswechsel im Oktober 2004 sank die Mitgliederzahl kurzfristig (-90), um sich bis zum heutigen Tage (22.1.2007) unter der Vereinsführung von Martin Bauer auf 2626 Mitglieder zu erhöhen."

Provinzmief und Rückschrittlichkeit könnte der Kritiker nun bei solchen Zusammenschlüssen verorten. Wer aber Hans Triebel kennt, weiß um die Wachheit des Heimatpflegers aus Passion: »Es ist immer schade, wenn etwas ausstirbt – egal ob Pflanze, Tier oder eben eine Sprache wie die unsere.«

Mit dieser Erkenntnis steht er in internationalem Kontakt zu anderen Minderheiten-Sprachlern und Forschungseinrichtungen, denn bedroht sind beispielsweise auch Gälisch, Baskisch, Katalan: »Sprachen sterben weltweit aus. Natürlich geht es mir um das Bairische, auch um unser Brauchtum, aber man muss unbedingt auch über den Kirchturm rausschauen. Da geht es schließlich um die menschliche Kultur. Und was einmal weg ist, das ist dann weg. So passiert es mittlerweile oft, dass einer vom Land nach München zum Studieren geht, wo ihn keiner mit seiner Muttersprache, dem Bairischen, versteht. In München!«

Seine Förderstation betreibt Triebel im Miesbacher Land, in Gotzing bei Weyarn, wo er seit September 2003 die »Gotzinger Trommel« betreibt, eine traditionelle Wirtschaft, die seit dem 17. Jahrhundert besteht. »Wir leben wie in einer Oase des Friedens: Weil hier ein Wasserschutzgebiet ist, wir quasi auf der Quelle von München sitzen, wird nichts gebaut, kaum etwas verändert sich.« Nur in seinem Wirtshaus, da verändert sich immer was, und im Kleinen versucht er, von dort aus die Welt zu ändern.

Vom Kabarett über Blueskonzerte zu Lesungen und Stubenmusik ist hier viel geboten. Und auch wenn er im letzten Fasching sein Gebiet zur »Tschüss-freien Zone« erklärt hatte, die er gar mittels Verkehrsschilder kenntlich machte, die freilich vom zuständigen Miesbacher Landratsamt flugs wieder entfernt wurden, so weiß Triebel: »Bayern war immer Bindeglied – zwischen Okzident und Orient, zwischen dem Keltischen und Romanischen. Wir sind also aus Tradition offen und tolerant!« Genauso wünscht er sich auch seine Gäste – die in Scharen kommen. Darunter einst auch ein Mann aus Ghana, wie sich Triebel lachend erinnert: »Dem hab ich gesagt, dass es gar nicht stimmt, dass wir auch Schwarze seien, wie immer alle sagen. Wir sind weiß-blau!« Florian Falterer

Artikel vom 17.01.2007
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...