Raumnot: Das Ganztageskonzept am Luisengymnasium muss abspecken

Münchner Zentrum · Die Leiden des »Luisen«

Weil dem Luisengymnasium, Vorreiter des Ganztageskonzeptes, Räume fehlen, können nur Fünft- und Sechstklässler von den neuen Ideen profitieren. 	Foto: gw

Weil dem Luisengymnasium, Vorreiter des Ganztageskonzeptes, Räume fehlen, können nur Fünft- und Sechstklässler von den neuen Ideen profitieren. Foto: gw

Münchner Zentrum · Eltern sind verärgert, der Schulleiter unzufrieden, der Freistaat kneift und das Schulreferat wiegelt ab: Scheitert das Ganztageskonzept am Luisengymnasium? Wie es aussieht, steht dies zwar nicht vor dem Aus: aber eingedampft muss es werden, denn die hierfür benötigten Räume fehlen. Doch eigentlich hätten Schulleiter Peter Kemmer und das Schulreferat den sogenannten »rhythmisierten Ganztagesbetrieb« einführen wollen, bei dem sich Lernzeiten mit Entspannungsphasen über den Tag hinweg abwechseln.

Zum Entspannen zwischendurch aber fehlen Aufenthaltsräume – und selbst die Mittagsverpflegung ist ein Problem: Kemmer freilich hätte sich eine große Mensa gewünscht.

Nach seiner Ansicht kamen dafür nur die Flächen von sechs angrenzenden Ladengeschäften in Frage. Die gehören ohnehin der Stadt – kein Problem also, sollte man meinen. Das Rathaus aber will auf die Mieteinnahmen nicht verzichten – daher wird der Schulkeller zur Kantine umgebaut: »250 Personen finden dort Platz«, sagt Eva-Maria Volland, Sprecherin des Schulreferates.

Das Luisengymnasium aber zählt zurzeit 900 Schüler und 80 Lehrkräfte. Selbst wenn nur die Hälfte von ihnen zu Mittag essen will, müssten sie im Schichtbetrieb durchgeschleust werden. Die Schule hat dafür eigens ihren Stundenplan verschoben, der jetzt eine »Mittagspause A« und eine »Mittagspause B« vorsieht.

Dass der Raum nicht reicht, ist keine Überraschung: Denn echte Ganztagsschulen können und sollen nicht einfach von morgens bis abends unterrichten, sie brauchen viel Platz für eine Mensa, für Rückzugs- und Lernräume, für gesellige Treffpunkte und natürlich für den Unterricht. Darauf hat Kemmer schon früh hingewiesen – ohne Erfolg. Vor Weihnachten kündigte er daher an, echten Ganztagsunterricht nur für die fünfte und sechste Klasse anbieten zu können. Der Proteststurm der Eltern der älteren Schüler folgte prompt, der »Rückpfiff« sei »unverantwortlich«, das Ganze eine »Fehlplanung«. Diesen Eindruck kann auch das Schulreferat nicht entkräften, das sich darauf zurückzieht, Neuland zu betreten: »Wir gehen ja zum ersten Mal in den Ganztagsschulbetrieb«, sagt Volland, außerdem befinden sich die Gymnasien im Übergang vom G9 aufs G8, bei vielen laufen derzeit auch die damit verbundenen Baumaßnahmen, da ist »sehr viel in Bewegung und dadurch auch unübersichtlich«.

Doch der Misserfolg hat viele Väter. Der Stadtrat hat die Einführung von Ganztagsschulen beschlossen und will diese auch als Vorzeigeprojekte verstanden wissen. Das Geld für die nach Ansicht von Fachleuten und Schulleiter dringend benötigten Bau- und Erweiterungsmaßnahmen will er aber nicht bereitstellen, auch das Schulreferat spricht von »Minimallösungen«. Besonders ärgerlich für die Stadt ist, dass sich das Land Bayern bisher weitgehend aus der Finanzierung der G8-Umbauten heraushält, obwohl der Beschluss für die Schulzeit-Verkürzung aus dem Landtag kam. Laut Verfassung muss in Bayern der zahlen, der anschafft. In diesem Fall kneift der Freistaat jedoch und lässt München auf der Hälfte der Umbaukosten, also auf 30 Millionen Euro, sitzen.

Allerdings will die städtische Schulbehörde auch die Schulen nicht aus ihrer Pflicht entlassen – schließlich hätten die sich »freiwillig für das Ganztageskonzept entschieden«, so Volland. Kenner des Vorgangs berichten hingegen, Stadtschulrätin Elisabeth Weiß-Söllner (SPD) habe die freiwillige Meldung geradezu eingefordert. »Das war Entscheidung der jeweiligen Schule!« kontert das Schulreferat, »wir haben das gerne unterstützt, lassen uns aber nicht den schwarzen Peter zuschieben.« Und reicht ihn im nächsten Satz weiter: »Letztlich muss die Schule ausloten, was geht und was nicht.«

Dass vieles nicht geht, mussten die Pilot-Ganztagsschulen verbittert feststellen – neben dem Luisengymnasium ist dies auch das Pasinger Elsa-Brändström-Gymnasium. Dessen Schulleiter Helmut Seidl wusste sich nicht anders zu behelfen als die Telefonnummern der zuständigen Stellen im Schulreferat zu veröffentlichen. Etwa 100 erboste Eltern riefen an, was Seidl und seiner Stellvertreterin ein Disziplinarverfahren einbrachte, das mit einer Rüge endete.

Peter Kemmer, Chef am Luisengymnasium, ging zwar nicht soweit, kämpfte aber immer wieder auch öffentlich für mehr Mittel, um Schülern und Eltern eine echte Ganztagsschule anbieten zu können. Das ging seinen Vorgesetzten wohl auf den Keks – seit einem Krisengespräch mit Weiß-Söllner kurz vor Weihnachten will sich Kemmer nicht mehr öffentlich äußern. Von einem »Maulkorb« mag das Schulreferat nicht sprechen – beide Seiten hätten lediglich vereinbart, fortan »mit einer Stimme zu sprechen, damit wir nicht gegeneinander ausgespielt werden«.

So richtig an einem Strang scheinen beide trotzdem nicht zu ziehen, denn von seinem ursprünglichen Ziel ist Kemmer weit entfernt. Abgesehen vom weiteren Umgang mit der Presse wurde als Ergebnis des Treffens nur bekannt, dass es nun doch zumindest einen weiteren Aufenthaltsraum geben wird, was aber wohl nur einem Zufall geschuldet ist: Ein angrenzendes Ladengeschäft ist zum Ende des Jahres ausgezogen, die Stadt verzichtet auf eine Neuvermietung. Damit sieht das Schulreferat nun »grundsätzlich ausreichend Raum« für das Ganztageskonzept.

Versprechen, dass künftig auch Kinder über die sechste Klasse hinaus davon profitieren werden, möchte aber niemand. Die Hoffnungen, die Schulleiter Kemmer an die Umstellung seiner Schule hatte, wird er wohl begraben müssen. Auf Kosten von Kindern und deren Eltern, die ihn geradezu überrannt hatten: Auf jeden Platz in diesem Schuljahr gab es zwei Bewerber. Gecko Wagner

Artikel vom 16.01.2007
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