Die Münchner Polizei rüstet sich gegen Fußball-Rowdies

München - Rote Karte für Randalierer

Die meisten Fans feiern friedlich. Aber ziemlich genau ein halbes Prozent von ihnen komme laut Polizei »nur zum Schlägern« zu den Spielen. Collage: clash

Die meisten Fans feiern friedlich. Aber ziemlich genau ein halbes Prozent von ihnen komme laut Polizei »nur zum Schlägern« zu den Spielen. Collage: clash

Sie imitieren Affengeräusche, werfen kistenweise Bananen in den Strafraum und singen „eine U-Bahn von St. Pauli nach Auschwitz“: Immer wieder geraten Fußballfans in die Schlagzeilen, die bei ihrem Stadionbesuch einen unerfreulichen Rassismus pflegen. Glücklicherweise aber ist Ausländerhass bislang kein Thema bei Münchner Spielen; die Polizei befürchtet allerdings Gewalt-Aktionen anreisender Fans: vor allem bei den Spielen Mitte Dezember gegen Mannschaften aus Ostdeutschland.

Von seinem Schreibtisch aus blickt Günter Süßbrich, der neue Leiter der Polizeidirektion München-West, auf Jugendstil-Bauten; überhaupt strahlt sein ganzes Arbeitszimmer im Polizei-Gebäude an der Romanstraße 13 Behaglichkeit aus. „Es ist wunderschön hier“, sagt der 50-Jährige. Am 9. und am 18. Dezember aber wird er die Idylle nicht genießen können: Dann spielen in der Münchner Allianz-Arena die Bayern gehen Energie Cottbus, beziehungsweise 1860 München gegen Erzgebirge Aue: zwei Mannschaften aus Ostdeutschland sind also zu Gast in der Stadt. Zwei Mannschaften, deren Fans dafür bekannt sind, dass sie „enorm stören können“, wie es Süßbrich mit einem Seufzen formuliert. Erfahrungsgemäß jedenfalls „feiern“ sie aggressiver als westdeutsche „Schlachtenbummler“. Die Polizei muss gerüstet sein.

Nervös aber sind die Beamten nicht: Immerhin hatten sie in den vergangenen Jahren sämtliche Fußball-Randalierer im Griff. Überhaupt sind Gewalt-Aktionen zurückgegangen, seit die Allianz-Arena mit ihren 66.000 Sitz- und 3.000 Stehplätzen im Mai 2005 eröffnet hat. In Summe schätzt der Polizei-Chef den Anteil der „C“-Fans – den Hooligans, die an dem Spiel kein Interesse haben und nur zum Schlägern kommen – auf höchstens ein halbes Prozent. „Die allermeisten sind friedlich, sie wollen einfach nur das Spiel ihrer Mannschaft mitverfolgen.“ Es gab bislang auch keine Fälle von Rassismus im Vorzeige-Stadion der Landeshauptstadt.

Diesen „bayerischen Erfolg“ führt Süßbrich nicht auf das neue Stadion, sondern vor allem auf zwei Maßnahmen zurück: auf die Zusammenarbeit zwischen der Polizei, den Fußballclubs und dem DFB sowie auf die verstärkte Präsenz der Einsatzkräfte. Auf Maßnahmen, die aus den Pleiten der 80er Jahre resultieren: Damals rollten regelmäßig an Spieltagen um sechs Uhr morgens Züge im Hauptbahnhof ein, randvoll gefüllt mit betrunkenen und grölenden Schlachtenbummlern.

Die Strategie der Polizei damals erwies sich als unzulänglich: Sie setzte nur auf örtliche Präsenz, darauf, die Störer bei der Ankunft abzupassen und zum Olympiastadion zu eskortieren. Allzu oft mit mittelmäßigem Erfolg: „Einige wurden in Gewahrsam genommen, aber viele sind uns entwischt und haben mit uns ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel in der Innenstadt veranstaltet“, erinnert sich Süßbrich, der damals Zugführer der beiden Einsatz-Hundertschaften war.

Jetzt soll den Störern bereits das Wasser abgegraben werden, bevor sie den Zug betreten: „Wir kennen jeden Einzelnen persönlich, sie haben keine Chance, sich unbemerkt ins Stadion zu stehlen.“ Kooperation statt Ausgrenzung, persönlicher Kontakt statt anonymes Abfangen lautet eine weitere Devise: Seit Monaten versucht die Polizeidirektion West deswegen, die glühendsten Fans ihrer jeweiligen Mannschaft, die „Ultras“, dazu zu bringen, eine Erklärung auf Gewaltverzicht zu unterzeichnen. Beim FC Bayern handelt es sich dabei um die Gruppe „Schickeria“ mit 700, beim TSV 1860 um die „Cosa Nostra“ mit rund 70 Mitgliedern.

Sie sitzen in der Süd- beziehungsweise der Nordkurve und feuern ihre Spieler mit einem eigenen Sprecher an. Ihr Wort gilt als eine Art ehernes Gesetz unter den Fans – schon deswegen können die Beamten nicht umhin, sie in die Arbeit einzubinden. Heuer allerdings weigerten sich die Gruppen beharrlich, die Erklärung zu unterzeichnen. „Wahrscheinlich weil sie einen Ehrenkodex haben, der ihnen verbietet, sich zu unterwerfen“, vermutet Hermann Straub, der mit Süßbrich die Einsätze am Stadion vorbereitet.

Günter Krause vom „Fanprojekt München“, einer Einrichtung der Jugendhilfe, hat eine andere Erklärung: „Die Ultras fühlen sich eher brüskiert durch die vielen Reglementierungen im Stadion, das Event- und Opernpublikum hier passt ihnen nicht“, meint der Streetworker. Er verweist darauf, dass 2005 durchaus eine Erklärung mit den beiden Gruppen zustande gekommen war. Dass es jetzt gescheitert sei, habe eher mit der Polizei zu tun: „Da ist wahrscheinlich Vertrauen verloren gegangen.“

Allerdings hält er weder die „Schickeria“ noch die „Cosa Nostra“ für gewalttätig. Im Gegenteil: Durch gezielte Aktionen gegen Rechts haben die Bayern-Ultras eindrucksvoll demonstriert, dass sie keine Rassismus-Schlagzeilen schreiben werden.

Mehr Sorgen machen Süßbrich und seiner Truppe dagegen die ostdeutschen Fans, die in Bälde anreisen werden: Seine Einsatzkräfte werden an den beiden Spieltagen Mitte Dezember höllisch aufpassen müssen, damit nichts eskaliert: „Es fängt mit verbalen Provokationen an, dann folgen Handgreiflichkeiten“, beschreibt Hermann Straub „kritischere“ Fußballtage.

Problematisch werde es, wenn es jemandem gelingt, sogenannte bengalische Feuer ins Stadion zu schleusen – diese vor allem in Italien beliebten Rauchbomben, die 1.000 Grad Hitze erzeugen und schwere Verbrennungen verursachen können. Als nachteilig würde sich in diesem Fall das „Zwischendeck“ des Stadions erweisen, die sogenannte Promenade, die die einzelnen Blöcke miteinander verbindet und deswegen von der Polizei nur schwerlich zu kontrollieren ist.

Doch zum Worst Case sollte es gar nicht kommen: Ein Riesenaufgebot an Polizeikräften wird sich den Fans bereits bei der Ankunft in den Weg stellen, eine Reiterstaffel entlang des Weges von der U-Bahn bis ins Stadion hinauf ist geplant. Jeder potenzielle Störer wird schon bei der Anreise im Zug von Beamten beäugt. „Wenn nötig, werden wir die Fangruppen vorzeitig trennen“, verrät der Direktionsleiter aus den Plänen des Beratungsgremiums, das immer zu solchen Anlässen zusammenkommt. Angst vor ihrem Einsatz hat seine „Mannschaft“ jedenfalls nicht: „Wir werden das absolut unter Kontrolle haben.“

Artikel vom 30.11.2006
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