Albrecht Ackerland über Sportvereine

„Da schau her“

Als etwa Zwölfjähriger wollte ich unbedingt Tischtennis spielen. Meine Mutter freute sich: Endlich will der Bub in einen Verein! Da der Mensch das Rudel ebenso liebt wie die Einsamkeit, sind Vereine eigentlich eine großartige Sache. Vor allem für Kinder: Sie bekommen ihr Rudel, die Eltern regelmäßig erholsame Einsamkeit.

Das dachte sich wohl auch meine Mutter: Toll, ein Sportverein – das dient seinem Körper und Geist und schont meinen Rockzipfel. Leider war Tischtennis aber so langweilig, da ich es naturgemäß noch nicht richtig spielen konnte. Auch nach dem zweiten Training noch nicht. Wieso soll ich etwas trainieren, das ich gar nicht kann, dachte ich mir, und beendete meine Vereinskarriere. Zum Leidwesen meiner Mutter, die sich um meine Rudelkompetenz sorgte.

Dabei war und bin ich ein geselliges Wesen mit manchmal sogar sportlicher Erscheinung – alles also kein Problem. Irgendwann erkannte das auch meine Mutter und trat aus Trotz in einen Gymnastikclub für Senioren ein. „Gut so!“, sagte ich ihr, „der Mensch braucht Gesellschaft und sportliche Betätigung.“ Es muss ja nicht unbedingt Tischtennis sein.

Überhaupt hat es meinem Leben erst kürzlich wieder gedient, damals das Training aufgegeben zu haben. In einem meiner gastronomischen Wohnzimmer fand ein Tischtennisturnier statt, und der Wirt nötigte mich, daran teilzunehmen. Eigentlich war es sogar eine Erpressung: Falls ich nicht teilnähme, bekäme ich fortan nur noch Sportlerweiße – alkoholreduziertes Weißbier ohne Charakter.

Im Nachhinein aber war ich dann aber eben doch froh um mein Mitmachen. Ich belegte weit abgeschlagen den letzten Platz und gewann als Trostpreis für ein Jahr die Mitgliedschaft in einem Schachclub. Blöd nur, dass ich nicht Schach spielen kann. Nächste Woche ist das zweite Training.

Diesmal aber werde ich durchhalten, das habe ich mir fest vorgenommen. Denn falls ich aus irgendeinem Grund einmal woanders hinziehen sollte, weiß ich sofort, wo ich hingehen muss, um ein Rudel zu finden, das mich integriert.

Das nämlich ist anstatt der sportlichen Betätigung der viel bedeutendere Zweck eines Vereins: Integration. So bin ich der festen Überzeugung, dass Zuwanderer viel dringender in einen Verein gehören, als in einen Sprachkurs. Gehört doch die Vereinsmeierei zu unserer Kultur. Und ist nicht das Schlechteste.

Artikel vom 23.11.2006
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