„Da schau her“

Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als die Geschäfte nur bis abends um sechs aufhatten, am Mittwoch nur bis Mittag - und mit etwas Glück waren sie sogar am Samstag auf. Bis zwölf. Mittags, versteht sich.Nun könnte es sein, dass man in wenigen Monaten wieder am Samstag bis zwölf einkaufen kann. Zwölf Uhr nachts!

Was für eine herrliche Vorstellung für Wochenend-Grattler wie mich. Es gibt Samstage, da stehe ich nur deshalb vor 20 Uhr auf, weil ich noch Brot und Butter für mein Sonntagsfrühstück brauche, was eigentlich völlig überflüssig ist, weil ja längst zumindest die Bäcker auch am Sonntag offen haben. Mindestens bis Mittag. Doch auch für Sonntags-Grattler wie mich gibt es Lösungen, die ein nachmittägliches Frühstück gewährleisten: Bei mir ums Eck, in der Amalienstraße, gibt’s einen Bäcker, der auch sonntags bis abends auf hat.

Wozu eigentlich dann die ganze Aufregung, möchte man sich fragen. Gut, es gibt auch noch andere Konsum-Bedürfnisse, die ein Bäcker am Sonntag oder eine Tankstelle am späten Abend nicht befriedigen kann. Was ist, wenn mir spätabends einfällt, dass ich dringend Boxershorts waschen muss, aber kein Waschmittel mehr im Haus ist? Probleme, die den Ackerland bewegen. Was ist, wenn mir gegen halb elf abends einfällt, dass ich dringend noch einen Smoking für eine Mitternachts-Gala brauche? Alles schon gehabt. Die gute Gala musste ohne mich stattfinden. Eine Schande – ob nun für mich oder die Veranstaltung.

Erinnern Sie sich noch an eingangs erwähnte Kauf-Epoche? Mussten Sie zu jener Zeit hungern oder verschmutzt aus dem Haus gehen? Überhaupt: Hat die Lebensqualität zugenommen, seitdem auch am Samstag bis acht abends jeder Supermarkt offen hat?

Ich als bekennender stockfauler Samstags-Grattler im Trainingsanzug, der gerne die Möglichkeit nutzt, alle konsumbetreffenden Bedürfnisbefriedigungen bis ultimo hinauszögern zu können, meine: Ja, absolut. Überleben aber wird man auch, wenn alles so bleibt wie es ist.

Artikel vom 16.11.2006
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