Raphaela Schweiger und Lukas Hellbrügge geben den Münchnern Nachhilfe in Sachen Schule

München - Schule ist mehr als lernen

Raphaela Schweiger und Lukas Hellbrügge organisieren den ersten Münchner Schülerkongress „besser’06“.	 Foto: GW

Raphaela Schweiger und Lukas Hellbrügge organisieren den ersten Münchner Schülerkongress „besser’06“. Foto: GW

Bildung in Bayern ist spitze – das verkündet die bayerische Staatsregierung ohne Unterlass. Tatsächlich belegen Bayerns Schüler in Studien wie dem Pisa-Test regelmäßig die Spitzenposition. Aber in Sachen Demokratie liegen die Schulen hierzulande ganz hinten. In jedem anderen Bundesland haben Schüler mehr Mitspracherechte, gibt es eine anerkannte Schülervertretung. In Bayern haben Schüler kaum was zu melden, vom Unterrichtsbeitrag einmal abgesehen.

„Ich würde mir wünschen, als Schülervertreterin vom Kultusministerium ernst genommen zu werden“, sagt Elena Stingl, Schülerin am Giselagymnasium und Sprecherin der bayerischen Landesschülervertretung. „Ich kenne aber keinen Schüler, der je gefragt worden wäre, was er von Frontalunterricht oder vom G8, dem achtjährigen Gymnasium, hält.“ Das bayerische Kultusministerium räumt ein, dass Schüler bisher zu wenig zu Wort kommen. Das soll sich ändern. Ab nächstem Jahr gibt es auch in Bayern eine landesweite Vertretung für alle Schularten, den Landesschülerrat. „Der Landesschülerrat wird das Kultusministerium beraten und erhält bei neuen Schulgesetzen Anhörungsrecht“, erläutert die Ministeriumssprecherin Lisa Höhenleitner.

Für die 17-jährige Schülervertreterin Stingl ein wichtiger, aber zu kleiner Schritt. „Anhörungsrecht bedeutet, dass uns ein paar untergeordnete Schulbeamte zuhören müssen. Wir würden gern aber auch beim verantwortlichen Minister Gehör finden!“

Andere haben es da besser. In Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen sitzen die Landesschülersprecher mehrmals im Jahr mit der Schulministerin an einem Tisch, in Hamburg gibt es sogar eine Ombudsfrau für Schülervertreter, die deren Interessen als Anwältin gegenüber der Bildungssenatorin vertritt. „Ich habe unseren Minister dagegen bislang nie zu Gesicht bekommen“, klagt Stingl – und das, obwohl die Schulordnung zumindest einmal im Jahr ein Treffen zwischen Bezirksschülersprechern und Minister vorsieht. Bezirksschülersprecherin ist sie, gewählt von den Vertretern aller Gymnasien in Oberbayern-Ost, und damit Sprecherin der Gymnasiasten von Freising bis Berchtesgaden. Zwar war ein Treffen geplant, aber der Termin wurde abgesagt – „am Vorabend, ohne Angabe von Gründen“, sagt sie frustriert. „Ernst genommen können wir uns da nicht fühlen.“ Raphaela Schweiger (18) und Lukas Hellbrügge (19) vom Münchner Schülerbüro e.V. wollen sich darüber aber gar nicht lange beschweren, sondern zeigen, wie es besser geht. Sie organisieren den ersten Münchner Schülerkongress „besser’06“. Zwei Tage lang, am 10. und 11. November 2006, wollen sie Münchens Schülerinnen und Schüler das bieten, was ihrer Meinung nach in der Schule zu kurz kommt: Seine Meinung sagen, überlegen, wie Schule besser sein könnte und, tatsächlich, sogar lernen. Natürlich nicht Mathe oder Vokabeln sondern „ganz praktische Dinge“, wie Schweiger sagt. In 14 verschiedenen Workshops wie „Projektmanagement“, „Rhetorik“ oder „Schülerzeitung“ sollen ihre Mitschüler lernen, das nächste Schulfest ohne schlaflose Nächte zu organisieren, vor Mitschülern und Direktorat besser und sicherer aufzutreten oder eine Schülerzeitung so aufzuziehen, ohne mit dem Presserecht oder Lehrern in Konflikt zu geraten. „Alles Dinge, die später im Berufsleben unheimlich wichtig sind“, sagt Schweiger (siehe Interview). Und die man im Unterricht nicht lernen kann.

Die „Lehrer“ in den Workshops sind fast ausnahmslos selber Schüler und wissen daher, wo der Schuh drückt. Aber besser’06 soll nicht nur weiterbilden, sondern auch ein Forum für Schülermeinung sein. „Wir haben Wissenschaftler, Bildungsexperten und Politiker aller Parteien eingeladen, mit uns zu diskutieren“, sagt der Schülerbüro-Vorsitzende Hellbrügge. Er ist überzeugt: „Dass ihnen Entscheidungsträger zuhören, wird für viele Schüler eine neue Erfahrung sein.“

Den Münchner Schülern eine Stimme geben – das ist die Hauptmotivation von Schweiger und Hellbrügge. Seit Monaten schon arbeiten sie auf den Kongress hin. 10.000 Euro haben sie bei Stiftungen, Gewerkschaften und dem Kreisjugendring München-Stadt eingeworben, dafür können sie den erwarteten 250 Teilnehmern die Fahrt, Unterkunft und Verpflegung bieten – der Eigenbeitrag ist mit 10 Euro pro Person bewusst niedrig gehalten. Bisher haben sich erst 50 Schülerinnen und Schüler angemeldet, für die beiden aber kein negatives Zeichen, im Gegenteil. „Letztes Jahr habe ich den bayerischen Schülerkongress basis’05 mitorganisiert“, sagt Raphaela Schweiger. „Da hatten wir zu diesem Zeitpunkt sogar noch weniger Anmeldungen. Aber am Ende waren 800 Leute da!“ Von Gecko Wagner

Artikel vom 26.10.2006
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