Schülersprecherin Raphaela Schweiger über das Handyverbot, Schülerzeitungen und Schulminister Siegfried Schneider

„Die Lehrer sind total überlastet“

Raphaela Schweiger: „Das Handyverbot bringt gar nichts.“	
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Raphaela Schweiger: „Das Handyverbot bringt gar nichts.“ Foto: Archiv

Raphaela Schweiger kennt sich mit dem Thema Schule aus – und das nicht nur, weil sie Schülerin am Münchner Pestalozzi-Gymnasium ist: Die 17-Jährige engagiert sich ferner beim Münchner Schülerbüro (MSB), in dem sich Schüler selbstorganisiert mit Schule und Bildungspolitik auseinandersetzen. Raphaela hatte außerdem als Bezirksschülersprecherin die Belange aller Münchner Schüler gegenüber dem Schulministerium vertreten.

Wenige Tage vor Beginn ihrer Kollegstufen-Zeit, in der sie die Leistungskurse Englisch und Deutsch belegen wird, erreichten wir sie im Urlaub auf dem Handy.

SamstagsBlatt: Ob Handyverbot oder Unterrichtsausschluss für Störenfriede - im neuen Schuljahr ändert sich einiges für die Münchner Schüler. Zum Guten?

Es ist, wie so oft in Bayern, eine Politik der Verbote und Symptombekämpfung. Das Handyverbot etwa bringt gar nichts, das ruft bei 14- oder 15-Jährigen doch nur eine Trotzreaktion hervor. Und wir wissen es doch selbst: Wie will jemand feststellen, ob ich ein Handy dabei habe, wenn es auf lautlos gestellt ist? Das Verbot ist Augenwischerei, um von den wirklichen Ursachen abzulenken: Wenn Gewaltvideos getauscht werden oder manche den Unterricht stören, dann müsste man eher Sozialpädagogen eingliedern, die sich um diese Leute kümmern.

SamstagsBlatt: Aber seien wir doch ehrlich, Handys haben nichts in der Schule verloren.

Naja, ich könnte meine Arbeit als Schülersprecherin nicht in der Form machen, wie es sein müsste, wenn ich mich nicht per Handy abstimmen kann. Schülerzeitungsmacher müssen ja auch mal mit der Druckerei telefonieren, und in der Unterstufe kommen die Kleinen in Schwierigkeiten, wenn eine Stunde ausfällt und sie ihre Eltern nicht informieren können.

SamstagsBlatt: Stichwort Schülerzeitungen: Die werden nicht mehr zensiert, das ist doch eine gute Nachricht?

Das ist eine kleine Liberalisierung, aber nicht so weitgehend, wie sie sein sollte. Wenn sich die Schülerzeitungsredaktion entschließt, die Zeitung als normales Presseorgan herauszugeben, dann muss sie vor der Schule verkauft werden. Das ist natürlich schade – Schülerzeitungen leben davon, dass man auch mal durch die Klassen läuft und sie am Ort des Geschehens verkaufen kann.

SamstagsBlatt: Im letzten Jahr sind wieder einmal viele Stunden ausgefallen, am Michaeli-Gymnasium sind sogar Eltern eingesprungen, um Unterricht zu halten. Ist der Lehrermangel tatsächlich so schlimm?

Wenn ein Lehrer krank ist, fällt die Stunde aus, eine Vertretung wie früher gibt’s eigentlich nicht mehr. Die Lehrer sind alle total überlastet, am Gymnasium etwa durch die G8-Regelung, die konzeptlos eingeführt wurde, oder durch Klassen mit 34 oder 35 Schülern. Entsprechend haben die immer weniger Kraft und Lust, auf Klassenfahrten zu gehen oder mit uns Schülern am Nachmittag freiwillige Arbeitsgruppen zu bilden.

SamstagsBlatt: Es gibt anscheinend viel zu tun. Macht denn Siegfried Schneider, seit einem Jahr Schulminister, eine so schlechte Arbeit?

Nein, er versteht schon was von seinem Fach, und ist sicher besser als die Vorgängerin Monika Hohlmeier. Aber andauernd hört man von ihm: „Mir sind die Hände gebunden.“ Bildung und Schule hat bei der Staatsregierung wohl doch nicht den Stellenwert, von dem sie immer spricht, sonst würde mehr Geld investiert werden und viele Probleme – vor allem beim Personal – könnten endlich gelöst werden. Und auch sonst gibt es viel zu tun, etwa bei der Struktur unserer Schulen: Bislang gibt es in Bayern beim Schulwechsel nur eine Richtung: Nach unten. Der Aufstieg von der Hauptschule ins Gymnasium ist praktisch unmöglich – auf der Hauptschule landen aber beispielsweise viele, die in den ersten Schuljahren einfach zu schlecht Deutsch sprechen, ansonsten aber durchaus was drauf haben. Interview: Max Hägler

Artikel vom 31.08.2006
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