Papst Benedikt XVI. sorgt für ungeistlichen Streit im Stadtrat

München - Im Rathaus hängt der Segen schief

Benedikt XVI. freut sich darauf, seine Heimat zu besuchen. Münchens Lokalpolitiker  streiten sich unterdessen über Würdigung und Nicht-Würdigung des Papstes.Foto: www.benedikt-in-bayern.de

Benedikt XVI. freut sich darauf, seine Heimat zu besuchen. Münchens Lokalpolitiker streiten sich unterdessen über Würdigung und Nicht-Würdigung des Papstes.Foto: www.benedikt-in-bayern.de

Der Papst kommt – und in der Stadt herrscht Unfrieden: Die CSU ist enttäuscht, weil der Heilige Vater nicht zum Ehrenbürger Münchens ernannt wird – ja sogar im Gegenteil Gegenstand einer Protest-Demo zweier Stadträte ist; der OB wirft Papst-Kritikern „Entgleisungen“ vor. Der Heilige Vater indes blickt dem Besuch seiner Heimat positiv entgegen: „Ich freue mich auf alles, weil ich überall irgendwie zu Hause war.“ Also auf Pentling, Regensburg, Altötting, Marktl – und München.

Am 9. September um 15.30 Uhr landet das päpstliche Flugzeug in Erding, eineinhalb Stunden später kurvt Benedikt XVI. in seinem Papamobil durch Münchens Straßen.

Wenn es nach der hiesigen CSU ginge, sollte er dies als Ehrenbürger der Stadt tun – daher entfachte sich einmal mehr die Diskussion um eine entsprechende Würdigung: „Wir wollten Herrn Ratzinger bereits ehren, als er noch Kardinal war. Und jetzt natürlich noch mehr“, verrät CSU-Fraktionsvorsitzender Hans Podiuk dem SamstagsBlatt. Damals, im Jahr 1997, sei ein entsprechender Antrag im Ältestenrat an Rot-Grün gescheitert. Nun hätte Podiuk erwartet, dass SPD und Grüne die Position von damals überdenken – und ihrerseits eine Würdigung Benedikts XVI. vorschlagen.

Für jene aber ist dies überhaupt kein Thema – und inzwischen sei es rein technisch gar nicht mehr möglich, Benedikt XVI. pünktlich zu seinem Besuch zum Ehren-Münchner zu machen: „Die Vollversammlung des Stadtrats, die hierüber entscheiden müsste, tagt erst wieder Anfang Oktober“, bedauert Podiuk.

Dass sich die CSU selbst nicht aktiver um eine Neuauflage der Ehrenbürger-Diskussion bemüht hatte, hat einen einfachen Grund: „Hätten wir einen entsprechenden Antrag gestellt und wäre dieser abgelehnt worden, wäre dies eine immense Blamage für die Stadt gewesen“, sagt Podiuk. „Die Frage, ob jemand Ehrenbürger wird oder nicht, darf nicht über eine Kampfabstimmung beantwortet werden. Es wäre peinlich für den Betreffenden, wenn 40 für ihn votieren und 39 gegen ihn. So etwas muss quasi einstimmig beschlossen werden.“

Die SPD und vor allem die Grünen allerdings hätten „mehr als deutlich“ signalisiert, dass sie nicht für Benedikt XVI. stimmen würden. Schade – wie Podiuk findet, denn: „Die Großwetterlage hat sich geändert. Als er Kardinal war, wäre es eine Ehre für Herrn Ratzinger gewesen, hier Ehrenbürger zu sein. Jetzt wäre es eine Ehre für die Stadt, falls er, der jetzt weltweit populär ist, eine solche Würdigung annehmen würde.“

Wie genau die SPD zur Ehrenbürger-Frage steht, ließ sich übrigens nicht herausfinden: Über Würdigungen werde erst öffentlich gesprochen, wenn sie vollzogen werden, heißt es aus der Rathaus-Fraktion.

Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich hingegen wird nicht müde zu betonen, dass Benedikt XVI auf kein Podest gehoben werden sollte, denn „er ist hundertprozentig rückwärts gewandt“, wettert sie. „Mit ihm wird sich die Kirche nicht öffnen. Gleichberechtigung von Frauen scheint für ihn ein Fremdwort zu sein.“ Unter anderem zeige ein Papier aus dem Jahr 2003, dass er Lesben und Schwule nicht tolerieren könne – er bezeichnete die Homo-Ehe als „Legalisierung des Bösen“.

Gemeinsam mit Rosa-Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl und diversen schwullesbischen Organisationen ruft sie daher zu einer Demonstration „für Gleichstellung und Akzeptanz – gegen Diskriminierung“ auf – am kommenden Freitag, den 8. September, von 11 bis 13 Uhr am Sendlinger Tor.

Diesen Termin am Tag vor der Ankunft des Papstes dürfte vor allem OB Christian Ude (SPD) als grobe Provokation empfinden, zumal er zurzeit allen Kritikern des Heiligen Vaters heftig Paroli bietet: Niederbühl und Dietrich hatten jüngst die „weltanschaulich-religiöse Neutralität der Stadtsparkasse“ in Frage gestellt, die anlässlich des Papst-Besuchs eine Benedikt-Ausstellung zeigt. Dabei hatten sie den OB gefragt, ob er in den Aktionen der Bank, nicht eine „einseitige, unkritische Identifikation mit den päpstlichen Äußerungen“ sehe.

Ude antwortete mit einem Gegenschlag: Dass der Papst Auffassungen vertrete, die nicht jeder teilen müsse, tue seiner Bedeutung als Kirchenoberhaupt nicht den geringsten Abbruch, sagte er den Koalitionspartnern. Und schimpfte: „Der Versuch, die Katholische Kirche auszugrenzen, ist unvereinbar mit der Toleranz, die Sie sonst einfordern.“ Podiuk stimmt zu: Den Grünen sei es egal ob sie die religiösen Gefühle Hunderttausender verletzen. Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 31.08.2006
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...