Stadt-Bewohner: In dieser Serie stellen wir in loser Reihenfolge ungewöhnliche Nachbarn vor

Haidhausen · Kultur auf 16 Quadratmetern

Seit einem Jahr gestaltet Petra Scherzer den Kulturtreffpunkt mit Konzeptkunst.	 Foto: nan

Seit einem Jahr gestaltet Petra Scherzer den Kulturtreffpunkt mit Konzeptkunst. Foto: nan

Haidhausen · Es ist ein Ort, an dem Text und Malerei zusammen kommen, ein kulturelles Kleinod mitten in Haidhausen. In der gedankenversunkenen Milchstraße Hausnummer vier bringt Petra Scherzer zusammen, was doch irgendwie zusammengehört: Auf 16 Quadratmeter präsentiert sie im monatlichen Wechsel ausgewählte Bilder von Münchner Künstlern.

»Kunstsalon« nennt die 45-Jährige dann den Raum, der sonst als »Literaturbüro« zu finden ist. Schon seit je her hingen in der Bücherstube zwar Bilder, aber »x-beliebige«, wie Scherzer klagt. Aus der persönlichen Not hat sie schließlich eine beinahe öffentliche Tugend gemacht: »Bis vor einem Jahr hingen hier Bilder von Menschen, die erst Künstler werden wollen.«

Seit einem Jahr nun wählt Scherzer aus, was im Raum hängen darf: Sie zahlt eine kleine Miete an das »Literaturbüro«, dafür wird nur ausgestellt, wer ein Konzept für seine Kunst im Kopf hat. »Ich zeige keine Maler, die einfach drauflos pinseln«, sagt Scherzer. So zeigte sie etwa das humorvolle »King Kong Kunstkabinett« und andere in Ausstellungen mit Titeln wie »Gut, dass wir darüber gesprochen haben«, »Münzmallorca«, »Slow Food«. Auch Installationen werden präsentiert – sofern sie in den 16 Quadratmeter-Raum passen. Überhaupt der Raum: »Ich sehe es als mein persönliches Kunstprojekt, diesen Raum durch die Ausstellungen immer wieder zu verändern«, sagt Scherzer.

Ob »Literaturbüro« oder »Kunstsalon« – in der Milchstraße 4 wird immer diskutiert, über Texte oder Bilder. »Hier will das Publikum erfahren, wie die Technik funktioniert, welche Motivation der Künstler hatte, diese und jene Farbe zu verwenden«, sagt Scherzer. »Der Künstler ist zum Anfassen hier – nicht aber zum Ausziehen.«

Auch ihre eigenen Bilder präsentiert die gebürtige Weidenerin regelmäßig im Salon. Lieblingsmotive von Scherzer, die ihr Handwerk an der Münchner Kunstakademie gelernt hat, sind Menschen – und Tiere. Insbesondere Meerschweinchen – an denen nämlich hat Scherzer einen Narren gefressen: regelmäßig gewinnt sie mit ihrer Rasse-Züchtung Preise.

Dass die Tiere auch als Kunstobjekt taugen, sieht man etwa im Kurpark in Bad Wörishofen: Dort »grast« eine Meerschweinchen-Skultpurengruppe Scherzers. Auch anderswo hat sie freilich ihre Bilder und Skulpturen untergebracht: die Bayerische Staatsgemäldesammlung hat schon »Scherzer« gekauft, Stadt und Landkreis Dachau ebenfalls. Alles eine Frage des guten Geschmacks eben.

Trotzdem ist es weitgehend brotlos, als Künstler in München zu leben, klagt die Galeristin und sagt: »Es wird zu wenig Geld für die schönen Dinge ausgegeben.« Und daher arbeitet sie nebenher in einer renommierten Galerie – als Aushilfe beim Bilderaufhängen. »Was den Kunstsalon von solch etablierten Galerien unterscheidet, ist das Publikum: Bei uns schneit jeder herein: Intellektuelle und Künstler ebenso wie die Leute von nebenan. Letztere bekommen durch die Diskussionen Zugang zur Kunst. Zumindest hoffe ich das.«

Informationen zu kommenden Ausstellungen in der Milchstraße 4 gibt es unter der Telefonnummer 48 84 19 oder direkt vor Ort. Nadine Nöhmaier

Artikel vom 30.08.2006
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