Acht Installationen suchen in der Stadtgeschichte

Wo München jüdisch war

In München gibt es viele verlorene Spuren jüdischen Lebens. Foto: VA

In München gibt es viele verlorene Spuren jüdischen Lebens. Foto: VA

Nein, jüdisch war München nie – zumindest nicht so, wie es etwa kulturell-bayerisch oder politisch-rotgrün ist. Hier gibt es keine reichhaltige jüdische Historie wie in Frankfurt oder Berlin. Und doch existierte seit dem Mittelalter entsprechendes Leben in der Stadt, bereits damals hatte München eine Synagoge – in der so genannten Judengasse, der heutigen Landschaftsstraße direkt hinter dem Rathaus.

Im Jahr 2006 leben wieder einige tausend Menschen jüdischen Glaubens an der Isar und sie bekommen mit der Eröffnung des Gemeindezentrums am 9. November eine neue Heimat in der Mitte der Stadt – auf dem Jakobsplatz. Ein guter Zeitpunkt, um jetzt die Geschichte des „Jüdischen Lebens in München“ zu erzählen, fanden die Künstler Marcel Odenbach, Irit Hemmo und Stefan Römer – bis zum 4. Oktober zeichnen sie in acht Installationen verlorene, verdeckte oder vergessene Spuren nach.

Diese sollen nicht allein das Leid und die Gewalt aufzeigen, die Juden so oft erleiden mussten – sondern vor allem deren Konsequenzen: plötzlich fehlte der Nachbar, weil er fliehen musste. Geschäfte mussten schließen, das Stadtbild änderte sich und mit der Zeit sind in München Lücken entstanden, die nie mehr gefüllt werden konnten.

Die erste Installation ist am Marienhof zu sehen – hier stand um 1380 die erste Synagoge der Stadt. Am alten Rathaus wird an die oft wankelmütige und zwiespältige Politik gegenüber Juden erinnert. In der Westenriederstraße erinnern die Künstler an die Anfänge der hiesigen jüdischen Kultusgemeinde. In der Herzog-Max-Straße stand ebenfalls einmal Synagoge, weit größer als die alte am Marienhof. Auch dort erinnert eine Installation an den Bau, der im späten 19. Jahrhundert Symbol der gewachsenen Akzeptanz der Juden war und später das Symbol der jüdischen Tragödie: Der Bau fiel 1938 als erste Synagoge Deutschlands der nationalsozialistischen Zerstörungswut zum Opfer.

Die nächste Station am Lenbachplatz 5 gedenkt der Familie Heinemann, die über Generationen die jüdische Münchner Kunstszene gefördert hatte und in der Baaderstraße 5 erinnert man an den jüdischen Kindergarten, der dort von 1905 bis 1926 Platz gefunden hatte.

Station Nummer sieben ist die Reichenbachstraße 27: dort befindet sich die Synagoge der ostjüdischen Glaubensgemeinschaft, die 1931 eingeweiht und in der Pogromnacht 1938 verwüstet wurde. Seit sie nach dem Krieg wieder hergestellt wurde, dient sie der Israelitischen Kultusgemeinde als Zentrum – bis heute. In der letzten Station an der Thierschstraße 7 stand im Krieg ein so genanntes „Judenhaus“: darin wurden jüdische Münchner auf wenig Wohnraum zusammengepfercht, ab 1941 wurden beinahe alle Bewohner deportiert und in Vernichtungslagern ermordet.

Die Installationen, die im Rahmen des Projekts „Ortstermine“ vom Münchner Kulturreferat finanziert werden, sind täglich, außer montags, von 10 bis 20 Uhr zu besichtigen und sollen „Aufmerksamkeit herstellen für das nicht mehr vorhandene“, wie Künstler Odenbach zusammenfasst. Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 24.08.2006
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