Albrecht Ackerland über Prominenz

„Da schau her“

Letzten Dienstag war ich seit langem einmal wieder im P1. Eine Telefonfirma hatte eingeladen – nicht, weil gerade Sommerloch ist, und auch nicht, weil ich besonders gut telefonieren kann. Die Firma ist Sponsor der Tournee von Robbie Williams. Im Edelschuppen unter dem Haus der Kunst wurde zur Aftershow-Party geladen.

Ich dachte mir, cool, Entertainer trifft Entertainer, da geh’ ich hin. Außerdem bin ich, Achtung: Outing!, eine ausgesprochene Freibierlädschn. Und bei derartigen geschlossenen Veranstaltungen reicht meistens ein Fünfer für Zigaretten und Klogeld.

Ich hatte Glück und konnte durch einen Seiteneingang rein. Die meisten mussten über einen mit gefühlten zehn Millionen Watt ausgeleuchteten rosa Teppich. Akute Augenkrebsgefahr. Sind solche Teppiche nicht eigentlich rot? Ach ja, des Sponsors Haus- und Hoffarbe ist Rosa.

Zum Glück bin ich kein Prominenter, dachte ich mir. Die mussten nämlich nicht nur über den Teppich, sondern auch noch auf ihm stehen bleiben für die Fotografen und Kamerateams. Dann aber fiel mir auf, dass es lebenswichtig ist für die eigene Prominenz, fotografiert, überhaupt gesehen zu werden auf derlei Partys. Aber was war gleich nochmal mit dem Motto „Willst du gelten, mach dich selten!“?

Robbie Williams befolgte jedenfalls den Spruch und erschien nicht. Ihm gleich taten das so ziemlich alle Prominenten, die ich kenne. Wer da alles so im Blitzlicht stand. Noch nie gesehen, keine Ahnung, wer das ist. Als ich es dann nicht mehr aushielt, fragte ich eine mit Notizblock Bewaffnete neben mir. Die kippte fast um vor fassungsloser Kopfschüttelei: „Wer das ist? Na, Sonja Kraus!“ Aha. Kenn’ ich nicht. Kennen Sie das Sprichwort mit der Sau, die durchs Dorf getrieben wird? Gut.

Einen anderen, der auf dem Teppich wild posierte und dankbar abgeschossen wurde, schnappte ich mir später: „Wer bist jetzt du eigentlich?“ – „Kennst mich nicht? Ich bin’s, der Daniel.“ – „Schöner Name, aber woher sollte ich dich kennen?“ – „Daniel Küüüüüüübllllllböck!“

Ich traute mich nicht weiterzubohren, der Arme war den Tränen nahe. Ich holte ihm einen Schnaps, ich selbst musste zwei trinken. Mir war aufgefallen, dass auch ich eine gewisse Prominenz habe, und es wirklich schlimm wäre, wenn mich plötzlich jemand nicht mehr kennt. Wer? Mein Metzger zum Beispiel.

Artikel vom 03.08.2006
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