Meisterschüler des Holzbildhauerhandwerks bauen das trojanische Pferd nach

Maxvorstadt · Koloss vom Königsplatz

Handwerkskunst aus 14 Kubikmetern Holz: das trojanische Pferd im fertigen Zustand. Foto: VA

Handwerkskunst aus 14 Kubikmetern Holz: das trojanische Pferd im fertigen Zustand. Foto: VA

Maxvorstadt · Etwas blasiert stehen die Nüstern nach vorn, keck die Mähne in die Höhe. Schließlich ist es nicht irgendein Gaul, der da seit kurzem vor der Antikensammlung am Königsplatz die Aufmerksamkeit auf sich zieht, sondern neben Lucky Lukes Gefährten Jolly Jumper oder Fury das wohl berühmteste Ross: das trojanische Pferd.

Doch trotz seiner schmalen Fesseln: der hölzerne Vierbeiner ist ein echter Koloss. Allein ein Hinterbein bringt 800 Kilo auf die Waage. Sieben Meter hoch, sieben Meter breit, zehn Tonnen schwer, das sind die Maße der Skulptur, an der sieben Meisterschüler der Städtischen Meisterschule für das Holzbildhauerhandwerk in der Luisenstraße, 1.200 Stunden gearbeitet haben.

Alles reine Handarbeit, fast ohne moderne technische Hilfsmittel. Am 22. März setzten die angehenden Meister, drei Frauen und vier Männer, das erste Mal das große Schnitzeisen und die Kettensäge an, erzählt der Lehrer der Meisterschüler, Alfred Türck. Aus 14 Kubikmetern Lärchenholz ist in drei Monaten das trojanische Pferd in Originalgröße entstanden – unterstützt von Zimmererleuten und einem Statiker.

Im Juni wurde das Trum aufgebaut. Seitdem macht es Werbung. Für die neue Ausstellung der Antikensammlung und der Glypthothek am Königsplatz, die seit heute zu sehen ist. »Mythos Troja« erzählt die älteste und erfolgreichste Sage der westlichen Welt mit allen ihren blutigen Episoden und einzigartigen Abenteuern – anhand von über hundert Vasen, von denen viele zuvor im Magazin verwahrt waren oder wertvolle Leihgaben sind –, Terrakotta- und Bronzefiguren, Marmorreliefs, Münzen und Gemmen.

Der Mythos fasziniert die abendländische Welt seit 3.000 Jahren. Die antike Kunst hat die Begebenheiten der Troja-Sage häufig dargestellt, sie wurde in vielen Epen, Liedern und Dramen nachgebildet – heute verbinden wir die Sage vor allem mit der Illias von Homer.

Die Existenz Trojas gilt als gesichert. Doch der trojanische Krieg, in den 1.000 Kriegsschiffe wegen des Raubs einer schönen Frau in den Kampf gezogen sein sollen, ist wohl eher dichterischer Fantasie entsprungen. Vermutlich auch das trojanische Pferd, in dessem Inneren die Griechen in die Stadt gelangten und sie so eroberten. Theoretisch wäre auch im Münchner Pferd Platz für ein paar Krieger: Beine und Kopf sind massiv, der Körper aber ist hohl. Doch die eckigen Fenster an Bauch und Hals, aus denen auf dem Originalrelief siegesgewiss die Griechen winken, sind nur Blendwerk.

Das legendäre Symbol für eine Kriegslist sei zwar schon mehrfach nachgebaut worden, nicht zuletzt in recht knuffiger Gestalt für den Hollywoodschinken »Troja« – »aber bei uns ist am wenigsten erfunden«, betont Türck. Als Vorlage diente schließlich die älteste bekannte Abbildung des trojanischen Pferdes, ein Vasenrelief aus dem Jahr 2.700 vor Christus, das aber nicht in München zu sehen ist, sondern in Mykonos. Die Idee stammt von Antikensammlung und Glypthothek, die auch die Kosten »in Höhe eines Kleinwagens« übernommen haben.

Alle Beteiligten sind jedenfalls mächtig stolz auf ihren Koloss vom Königsplatz, denn für alle ist so ein Projekt in diesen Dimensionen bisher einzigartig, sagt Türck. »Ist doch mal was anderes als eine Heiligenfigur, einen Dachstuhl oder eine Blockhütte zu machen.«

Artikel vom 18.07.2006
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