Albrecht Ackerland über WM ohne Deutsche

»Da schau her«

Letzter Dienstag war wirklich ein schlimmer Tag in meinem Leben. Schon klar, am Abend hat’s die Deutschen aus dem Turnier gehauen, weswegen ich meine Liebe zu Italien verloren habe – zumindest für ein paar Tage.Aber der Dienstag war schon vor der 119. Minute schlimm, bereits am Nachmittag hatte ich ein traumatisches Erlebnis!

Ich musste erkennen, dass ich langsam vergreise. Meine Frisörin entdeckte ein graues Haar. Nein, nicht grau: schlohweiß! Sagen Sie jetzt bloß nicht, dass das nicht schlimm ist! Begreifen Sie: Mit mir geht’s zu Ende!

Dass dann abends in der Stadt ein einziges Rumgejammere herrschte, kann einen schon aufregen. Aber dass der Marco und der Filippo von der Eisdiele bei mir ums Eck nach dem Spiel voller Häme „Ciao, ciao, Deutschland, alles ist vorbei!“ gesungen haben, das war schon ein starkes Stück. Wollen die jetzt die Holländer rächen, dessen Fans sich tagelang von den Deutschen ein „Ohne Holland fahr’n wir nach Berlin“ anhören durften?

Ein Spezl von den zwei kleinen Italienern kam gar mit einem Pappsarg an: Aufgeklebt ein schwarz-rot-gelbes Tuch. Sie wissen: Ich bin nicht der größte Freund patriotischer Euphorie mittels Fahnen schwenken. Aber eine halbe Stunde nach Spielende mit einem Sarg ankommen, der Deutschland, also Fußball-Deutschland, symbolisiert? Geht’s eigentlich noch? Schlimmer ist nur eine „Pizza Wurstel“.

Über all das hilft mir nur noch die Gewissheit hinweg, dass die Deutschen mit einer großartigen jungen Mannschaft 2008 Europameister werden. Und die Spannung, zu erfahren, was eigentlich ab Montag in diesem Land los ist, wenn dieser hypnosegleiche WM-Taumel ein Ende gefunden hat – und zwar ohne dass Deutschland Weltmeister wurde.

Bricht die Wirtschaft zusammen? Wird jeder depressiv, weil jeder das Gefühl hat: „Da fehlt doch etwas?“ Wenigstens wir Münchner können uns trösten: In zwei Wochen beginnen die Aufbauarbeiten auf der Theresienwiese!

Artikel vom 06.07.2006
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