Erziehungsprojekt »KindErleben« mit dem Präventionspreis ausgezeichnet

Hasenbergl · Früher als alle anderen

Das »Nachher«-Bild: So spielend leicht wie auf dem Bild fällt jungen Müttern der Umgang mit ihren kleinen Kindern nicht immer. Die Gruppe »KindErleben« hilft, sich gegenseitig zu verstehen und den Alltag zu meistern.	 Foto: Diakonie Hasenbergl

Das »Nachher«-Bild: So spielend leicht wie auf dem Bild fällt jungen Müttern der Umgang mit ihren kleinen Kindern nicht immer. Die Gruppe »KindErleben« hilft, sich gegenseitig zu verstehen und den Alltag zu meistern. Foto: Diakonie Hasenbergl

Hasenbergl · Das Phänomen kennen die meisten aus dem Fernsehen. Seit TV-Sendungen wie »Die Supernanny« weiß jeder, was eine »stille Treppe« ist und wie »falsche Signale« eine scheinbar alltägliche Spielsituation förmlich eskalieren lassen können.

»Nach jahrelangen Beobachtungen in unserer Heilpädagogischen Kindertagesstätte haben wir erkannt, dass typische Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern oft bereits im Baby-Alter entstehen«, zieht Katharina Ketscher, Leiterin des Wichern-Zentrums im Hasenbergl, Bilanz.

Die vergleichsweise nüchterne Bestandsaufnahme führte bereits vor acht Jahren zur Einrichtung »KindErleben« in der Riemerschmidstraße. Eine Initiative unter der Trägerschaft der Diakonie Hasenbergl e.V. die jetzt mit dem Deutschen Präventionspreis ausgezeichnet wurde.

Das Angebot von »KindErleben« greift lange vor der »Supernanny« ein. »Es richtet sich an Kinder von null bis drei Jahren.« Und es richtet sich an die Eltern. Selbst wenn es in Einzelfällen möglich sei, die Kleinkinder für eine Weile alleine zur Betreuung im Wichern-Zentrum abzugeben, besteht das strenge sechsstündige Tagesprogramm von »KindErleben« hauptsächlich aus gemeinsamen Aktivitäten in der Gruppe, Spielangeboten für Eltern und Kind sowie Einzelgesprächsstunden mit einer Psychologin. »Die Erziehungsperson steht bei ›KindErleben‹ im Mittelpunkt«, so Ketscher.

Im Laufe der Jahre hätten sich Zusammenhänge herausgestellt zwischen Verhaltensauffälligkeiten, wie Ess- und Schlafstörungen oder Schrei-Babys, und konsequentem Fehlverhalten seitens der Eltern. »Viele sind mit der Betreuung, Pflege und Erziehung ihrer Säuglinge überfordert.« Genau da setzt das fünfköpfige Team von »KindErleben« an. »Nach einer intensiven Beobachtungsphase werden eben die Schwachstellen der Erzieher-Kind-Beziehung gezielt trainiert.« Ob das wickeln ist, gemeinsames spielen, ein geregelter Tagesablauf oder ein paar wertvolle Handgriffe beim Aufwecken nach dem Mittagsschlaf – »Auf dem Programm stehen auch Alltagssituationen, wie U-Bahnfahrten oder Ausflüge«, so Ketscher.

Mit 10.000 Euro ist der zweite Platz beim Deutschen Präventionspreis dotiert, mit dem »KindErleben« ausgezeichnet wurde. Das Geld wird der Träger wieder in die Einrichtung investieren. »Durch die individuelle Betreuung und Beratung ist das Projekt sehr kostenaufwendig«, lenkt Ketscher ein. Mit ein Grund, warum die Initiative bundesweit bisher einmalig ist, auch wenn das Modell laut Einschätzung Ketschers durchaus auch in Hamburg oder Berlin wertvoll sein könnte.

Selbst die acht Plätze im Münchner Norden sind mit Eltern, alleinerziehenden Müttern und Vätern sowie deren Kleinkindern regelmäßig belegt. »Wir haben für akute Fälle auch einen Notplatz um unkompliziert mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.« Für die Teilnehmer fällt trotz des Tagessatzes von 134 Euro pro Kind nur eine monatliche Beteiligung für die Verpflegung von 25 Euro an. Mindestens sechs Wochen dauert eine Teilnahme die auf bis zu zwölf Monate ausgedehnt werden kann.

»Eine harte Arbeit«, so Ketscher. »Von den Betreuern wird viel Flexibilität abverlangt.« Besonders schwierig sei die Nähe zu schweren Schicksalen. »Oft berichten Mütter, dass sie selbst als Kind häufig geschlagen worden seien.« Nicht zuletzt auch deshalb prangt eine Kopie der Urkunde vom Präventionspreis an der Glastür des Wichern-Zentrums. »Das ist auch ein dickes Lob an alle, die den Mut haben, sich ihren Problemen offen zu stellen«, so Ketscher. Infos unter der Telefonnummer 31 20 96 30.

Artikel vom 20.06.2006
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