Albrecht Ackerland über die Deutschlandfahne

„Da schau her“

So viel Fahne war noch nie! Zwar konnte man schon ahnen, dass es bald recht schwarz-rot-gold würde, schließlich kann man seit Wochen keinen Kloreiniger kaufen, ohne ungefragt ein schwarz-rot-gelbes Tuch dazu zu bekommen. Die deutsche Fahne für einen Euro, dazu ein Sixpack Bier – das bot ein Supermarkt vor zwei Wochen an. Deutschland 2006: Banner, Bier, billig.

Jetzt ist die WM eine gute Woche alt, und man kann erkennen, wie sich das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Land und seinem Symbol veränderte. Wem im Oktober 1990 zur Wiedervereinigung das Fahnenwedeln ein seltsames Grummeln im Bauch verursachte, der möchte im Juni 2006 vermutlich schnellstens das Land verlassen. Denn, so scheint’s: Wir sind wieder wer. Wir fühlen uns wieder als jemand.

Oder ist das alles allzu kritisch gesehen? Ist es ganz normal, dass man zu seinem Land steht und diese Haltung auch zeigen will – und deshalb zurzeit kaum ein Balkon, Auto, Kinderzimmer ohne Fahne auskommt, ebenso keine Kaffeetasse, kein Gürtel, kein Spülmittel ohne Schwarzrotgelb? Ist es normal, dass plötzlich aus tausenden Kehlen ein seltsames „Steht auf, wenn ihr Deutsche seid“ kommt? Ist das also der „Aufstand der Anständigen“?

Zweifellos: Es ist ja toll, dass alle so sehr mitfiebern. Und Deutschlandfahnen haben erst mal überhaupt nichts mit Neonazis zu tun, wie manche Querulanten raunen.

Vielleicht liegt meine leichte Abneigung gegen die so aufdringlich zur Schau getragenen Landesfarben einfach auch nur an ihnen selbst. Denn die Farbkombination ist ein ästhetischer Supergau. Dann wird auch noch angeberisch versprochen, was doch nicht gehalten wird: Seit wann sieht Gold wie Gelb aus?

Deshalb meine ich: Die deutscheste aller Fahnen ist immer noch die Alkoholfahne. Und Deutschland wird Weltmeister!

Artikel vom 14.06.2006
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