Bayern ist für die Vogelgrippe gerüstet

München - Keine Panik

Noch gibt es keinen Grund zur Panik: Bisher gibt es keine infizierten Nutz-Tiere in Deutschland. Fotos:  Pixelquelle

Noch gibt es keinen Grund zur Panik: Bisher gibt es keine infizierten Nutz-Tiere in Deutschland. Fotos: Pixelquelle

Jeden Tag schockieren neue Schreckensmeldungen auf den Titelseiten der Tageszeitungen: „Die Vogelgrippe hat Deutschland erreicht! Das H5N1-Virus wird aggressiver! Die Länder sind nicht genügend vorbereitet!“ Viele besorgte Bürger fragen sich daher, ob sie noch gefahrlos ihr Frühstücksei löffeln und in einen „Hendl“-Schlegel beißen können. Viele befürchten, sich bei der toten Amsel, die auf dem Balkon liegt, anzustecken.

Die Sorgen sind verständlich, wenn man liest, der aggressive Vogelgrippe-Virus H5N1 könne mutieren, von Mensch zu Mensch übertragen werden und sich zu einer Pandemie wie Aids, der Pest oder der Spanischen Grippe ausweiten. Doch ruhig Blut: „Den Virus gibt es in Asien bereits seit neun Jahren - und bisher ist er nicht mutiert“, wie Sandra Brandt weiß, Sprecherin des Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. „Die Möglichkeit einer Pandemie ist im Moment in weiter Ferne.“

Wenn sie dennoch entstehen würde, wäre Bayern gut gerüstet: „Wir haben Medikamente für 15 Prozent der Bevölkerung bestellt, von denen ein Großteil bereits gelagert ist – diese können die Grippesymptome bekämpfen“, sagt Brandt. „Die Tabletten würden mindestens so lange reichen, bis ein Impfstoff entwickelt ist: in Summe ungefähr ein halbes Jahr.“

Dass es noch keinen Impfstoff gegen die Vogelgrippe gibt, liegt übrigens nicht daran, dass die Forschung nicht weit genug sei: Bloß – für die Entwicklung eines solchen Stoffes müsste erst einmal ein Virus vorhanden sein, der sich von Mensch zu Mensch überträgt.

Eine Impfung von Nutzvögeln hingegen ist bereits möglich, birgt aber die Gefahr, dass scheinbar gesunde Tiere die Krankheit dennoch übertragen können. Deutschland steht den Impfungen daher im Gegensatz zu Frankreich sehr kritisch gegenüber: „Solange es nur Impfstoffe gibt, trotz denen geimpfte Tiere dennoch Überträger der Krankheit sein können, halten wir die Stallpflicht für die wesentlich bessere Präventivmaßnahme“, sagt Brandt. „Und weil bereits im vergangenen Herbst vorsorglich zusätzliche Ställe gebaut wurden, ist die Möglichkeit vorhanden, alle Tiere wegzusperren, damit sie sich nicht bei Wildvögeln anstecken.“

Experten beobachten die Vögel in Bayerns Himmel übrigens schon seit Oktober vergangenen Jahres – und freilich würden sie eine ungewöhnlich große Menge toter Vögel sofort melden. „Deswegen brauchen die Bürger auch nicht jede tote Meise melden aus Angst, sie könnte Vogelgrippe gehabt haben“, sagt Brandt. „Wir raten aber davon ab, tote Vögel mit bloßer Hand anzufassen. Doch davon raten wir nicht erst seit der Gefahr der Vogelgrippe ab: Beim Umgang mit toten Tieren sind einfach gewisse Hygienevorschriften zu beachten. Hält man sich an diese, gibt es keine Gefahr.“ Melden allerdings sollten Bürger tote Wasservögel – vor allem, wenn diese zu mehreren verendet sind.

Für Menschen in Deutschland gehe die Gefahr einer Ansteckung jedoch gegen Null – solange der Virus nicht mutiert: „In den Ländern, in denen Menschen am H5N1-Virus starben, herrschen ganz andere Hygienebedingungen und eine wesentlich schlechtere medizinische Versorgung“, sagt Brandt. Und auch Bernd Adleff, Geschäftsführer des bayerischen Geflügelverbandes, sieht die Gefahr der Vogelgrippe vor allem darin, dass sie die Existenzen von Geflügelzüchtern bedroht: „Bilder von Menschen, die auf Rügen in Ganzkörper-Schutzanzügen tote Vögel einsammeln, wirken doch so, als wäre bei uns die Pest hoch drei ausgebrochen“, schimpft er. „Die Veterinäre, die später die Tiere obduzieren, tragen ganz normale Schutzkleidung: Nicht mehr als Mundschutz, Handschuhe – und vielleicht eine Schürze.“

Ein „Fiasko für die Züchter“ sei, dass wegen der Panikmache durch die Medien der Verkauf von Geflügelprodukten schon um 20 bis 25 Prozent zurückgegangen ist – und das, „obwohl in Deutschland noch kein einziges Nutztier infiziert ist“, wie Adleff sagt. „Wir haben keine Vogelgrippe in deutschen Ställen und es wird alles dafür getan, dass das so bleibt. Die Züchter sind die ersten, die ihre Tiere einsperren, um sie vor der Krankheit zu schützen. Schließlich geht es um ihre Existenz.“ Und sogar wenn sich der Virus in Eiern und Hühnerfleisch befände, würde er bei einer Erhitzung auf siebzig Grad absterben: Somit ist, wer das Frühstücksei hartkocht, auf der sicheren Seite. Und wenn auch nur ein einziges Tier eines Hofes erkranken würde, würden sämtliche Tiere „gekeult“, wie die massenhafte Tötung der Tiere im Fachjargon heißt. Trotz einer Entschädigung jedoch, die ein Halter für seinen getöteten Bestand bekommt, könnte diese Keulung das Ende für einen Geflügelhof bedeuten, so Adleff.

Einzig und allein Biobauern wehren sich noch gegen die Stallpflicht. Grund ist ein Gesetz, dass sie Eier und Fleisch nicht mehr mit dem Bio-Siegel versehen dürfen, wenn ihre Tiere länger als zehn Tage am Stück eingesperrt sind. Für Adleff ist klar: „Hier muss schnell eine Ausnahmeregelung verabschiedet werden.“

Dass übrigens die Fußball-Weltmeisterschaft abgesagt werden muss wegen der Vogelgrippe, wie diverse Medien orakeln – das ist laut Sandra Brandt, der Sprecherin des Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, nicht zu befürchten: „Das ist unwahrscheinlich. Wir haben im Moment Probleme mit einer Tierseuche – eine Pandemie ist, wie gesagt, in weiter Ferne. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass der Virus plötzlich mutiert.“ Von Elena Schott

Artikel vom 23.02.2006
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...