»Da schau her«

Manchmal passieren Dinge, wegen denen ich mich frag, warum ich eigentlich nicht Politiker geworden bin. Vor allem sind das Forderungen, die gestellt werden, Forderungen, die als neu verkauft werden, obwohl sie mir schon vor gefühlten fünfzig Jahren eingefallen sind. Vor kurzem war es wieder soweit: im Münchner Stadtrat wurde gefordert, die Schule solle später beginnen, weil die Schüler dann länger schlafen könnten.

„Heureka!“, hab ich mir gedacht. Das hab ich schon in der dritten Klasse gefordert, nur haben meine Eltern das der kindlichen Fantasie zugeschrieben. Etwas später, in der Achten ungefähr, konnte ich die für mich immer noch aktuelle Forderung untermauern, und beinahe hätte ich eine politische Gruppierung aufgemacht mit dem Ziel, uns Schüler ausschlafen zu lassen. Hätte ich es mal besser getan, denke ich mir heute, ich wäre längst Spitzenpolitiker. Denn schon damals war meine Argumentationslinie gut gereift – Schüler, die später in die Schule müssen, können sich besser konzentrieren! Denn was ist unnatürlicher, als vor Sonnenaufgang aufzustehen. Im Sommer ist das ja alles kein Problem, aber im Winter... Sie kennen das ja sicher von sich selbst. Aber versuchen Sie mal, solche Ideen den diversen Bornierten in Entscheiderpositionen zu verklickern. Also, so manchen höhergestellten Lehrern. Den politischen – äh – Leistungsträgern unseres schönen (Bayern-)Landes sowieso.

Dabei könnte sogar die Schulzeit insgesamt verkürzt werden, denn wer konzentrierter lernt, weil er richtig wach ist, schafft das auch schneller. Im Sommer könnte man außerdem früher anfangen, weil es viel früher hell ist, am Morgen die Luft frischer, die Laune besser. Man müsste dann aber früher aufhören, weil dann die Hitze groß wird, und die lähmt auch die Konzentration. Im Winter wäre es anders herum – später anfangen, später aufhören. Das ginge teils in Richtung „Ganztagsschule“, doch: na und?

Aber erklären Sie mal einem bürokratisch Bornierten, dass es künftig jahreszeitlich bedingte Schulbeginnzeiten gibt! Außerdem: Erklären Sie mal einem Leistungsträger, dass man die Menschen ausschlafen lassen sollte. Das Ergebnis aber wäre spannend: bessere Leistung – wenn es schon unbedingt darum gehen soll.

Artikel vom 02.02.2006
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