Albrecht Ackerland über WM-Vorbereitung

»Da schau her«

Es gibt viele Menschen, die noch gar nicht richtig begriffen haben, was in gut vier Monaten bei uns los sein wird: Am 9. Juni startet die Fußball-Weltmeisterschaft, und wie es dann vier Wochen lang abgeht, das wird viele ganz schön wundern. Es gibt anscheinend sogar Menschen, die glauben, sie können in der Stadt bleiben und bekommen trotzdem nichts mit von dem Trubel, schließlich gingen sie ja nicht ins Stadion.

Vor kurzem hab ich beim Metzger ein Gespräch mitbekommen: Kundin: „...und dann brauch ich noch zwei Pfund Hackfleisch. Wissen’S, ich muss mei’m Sohn Fleischpflanzerl machen, der nimmt die mit auf ein Festl, wo einer feiert, dass er WM-Karten gekriegt hat.“

Metzgersfrau: „Ja stimmt, die ist ja heuer wieder, oder?“ Kundin: „Ja, ich glaub schon. Was ist jetzt daran so besonders, dass der Karten hat? Ich lad mir doch auch keine Leute ein, bloß, weil ich mir Karten fürs Theater gekauft hab.“

Metzgersfrau: „Ja, mei, die jungen Leut...“ Kundin: „Ja, also ich werd mir wie jedes Jahr das Endspiel mit mei’m Mann im Fernsehen anschauen. Des langt. Hauptsache Weltmeister werd ma.“ Metzgersfrau: „Ja, ich auch. Vielleicht verkaufen wir ja ein paar Halsgrat mehr, weil zu so einem Finale grillen die Leut ja gern, nicht wahr?“

Ich bin dann gegangen, nachdem mir das Lehrmädel meine Leberkäs-Semmel fertig gemacht hat. Während ich mir überlegt hab, ob ich meinen Grill anschmeiß’ beim Endspiel, ist mir erst aufgefallen, wie vorbei das Gespräch da drin grad war.

Müsste doch die Metzgerei längst drei verschiedene Fußball-Wurst-Sorten im Angebot haben. Müsste doch die Kundin längst ihr Wohnzimmer doppelt und dreifach im Voraus an irgendwelche Italiener oder Engländer zu horrenden Preisen vermietet haben. Und ihr Sohn: Anstatt zu feiern, sollte er lieber T-Shirts mit stumpfsinnigen Fan-Sprüchen produzieren, die er dann höchst gewinnbringend während der WM auf der Straße vertickt.

Denn wenn die WM den Deutschen schon nicht den Pokal bringt, dann spült sie immer noch Erfolg in die Geldbeutel. Denn dass es nicht nur im Stadion rappelt, das sollte langsam jedem klar sein. Das Oktoberfest wird ein besserer Jahrmarkt dagegen sein. Und während sich dieses fast nur auf die Theresienwiese begrenzt, werden die WM-Touristen die ganze Stadt bevölkern. Massenhaft. Auf dass sich dann kein Münchner wundert.

Artikel vom 26.01.2006
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