Soll Papst Benedikt XVI. Ehrenbürger werden?

München und die P-Frage

Wir sind Papst – das hat eine große Boulevardzeitung nach der Papstwahl von Joseph Ratzinger festgestellt. Aber ist der Papst auch einer von uns? „Ja“, sagt die Münchner CSU – und schlägt sogar vor, Benedikt XVI. zum Ehrenbürger der Stadt zu küren.

Dieser Vorschlag ist ein zweiter Anlauf: bereits im Jahr 1997 wurde der Antrag abgelehnt, Ratzinger – der damals noch Kardinal war – zum Ehren-Münchner zu machen. „Zu Recht“, finden die Münchner Grünen, „denn ‚diesem Papst’ darf auf keinen Fall derart gehuldigt werden“. Die SPD dagegen hält sich bedeckt: „Es ist unwürdig, eine öffentliche Diskussion über diese Frage zu führen“, heißt es aus der Rathausfraktion.

Vom 10. bis 15. September 2006 wird Papst Benedikt XVI. Bayern besuchen, und dabei auch einen Abstecher nach München machen. Als Ehrenbürger soll er in unsere Stadt kommen, wenn es nach der CSU geht – und so hat sich in München die Diskussion über die Verleihung dieser Würde neu entfacht. „Wir waren schon vor Jahren dafür, Herrn Ratzinger für seine Verdienste als Kardinal zu würdigen“, sagt CSU-Stadtrat Richard Quaas. Damals aber sei ein entsprechender Antrag im Ältestenrat an Rot-Grün gescheitert. „Wir werden daher keine Initiative mehr ergreifen, um die nötige Ehrung voranzutreiben. Allerdings hoffe ich schon darauf, dass der Oberbürgermeister einen solchen Antrag stellt. Es wäre mehr als peinlich für die Stadt, wenn diese Diskussion jetzt ohne Erfolg breit getreten wird.“

Verdient habe der Papst die Ehrenbürgerwürde, weil er sich seiner Zeit als Bischof von München und Freising für ein gutes Miteinander verschiedenster Bevölkerungsgruppen einsetzte. Vor allem die Integration von Ausländern habe Ratzinger vorangetrieben, so Quaas. Daher hofft der CSU-Mann darauf, dass die SPD ihre Meinung über den Papst inzwischen revidiert hat: „Damit würde sie den Erwartungen der Bevölkerung entsprechen, die sich freut, dass wir einen Papst aus Bayern haben.“ Als erstes, positives Signal wertet Quaas, dass sich SPD-Stadträtin Christine Strobl mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ kürzlich als Zweite Bürgermeisterin vereidigen ließ.

An eine katholische Läuterung der Münchner Grünen glaubt der CSU-Mann allerdings nicht: „Eine Fraktion, die sich weitgehend als atheistisch bezeichnet, wird kaum einen Kirchenmann ehren“, ist er überzeugt. „Die Grünen sagen selbst, dass sie ein gebrochenes Verhältnis zur Kirche haben. Die ändern sich nicht.“

Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich gibt Quaas insofern Recht, als dass sie betont, der Wahl des Papstes zum Ehrenbürger garantiert nicht zuzustimmen: „Benedikt XVI. muss nicht geehrt werden, er ist hundertprozentig rückwärts gewandt“, wettert sie. „Mit ihm wird sich die Kirche nicht öffnen. Gleichberechtigung von Frauen scheint für ihn ein Fremdwort zu sein.“ Auch zeige unter anderem sein Papier aus dem Jahr 2003, dass er Lesben und Schwule nicht tolerieren könne – darin bezeichnete er die Homo-Ehe unter anderem als „Legalisierung des Bösen“ und als „schwere Bedrohung für die Gesellschaft“. „Solche Ansichten sind nicht mit den Grundsätzen unserer Partei – und auch nicht mit Bürgerrechten vereinbar“, ist Dietrich überzeugt. „Er kann nicht von uns geehrt werden – das funktioniert nicht.“

Thomas Niederbühl allerdings, Stadtrat der Rosa Liste, hält es zumindest für eine „höfliche Selbstverständlichkeit“, dass die Landeshauptstadt im kommenden September den Papst „als Staatsoberhaupt des Vatikan und als Oberhaupt der katholischen Christen gastlich empfängt“ und er sich ins Goldene Buch der Stadt einträgt. „Aber dass wir ihn persönlich zum Ehrenbürger der Landeshauptstadt machen – dafür gibt es für mich überhaupt keinen Grund“, ergänzt er. „Besondere Verdienste für München als weltoffener Stadt, die für demokratische Vielfalt, Toleranz und Gleichberechtigung steht, sehe ich nicht. Ganz im Gegenteil: Ratzinger war und ist Motor einer frauen-, schwulen- und lesbenfeindlichen Kirche, die völlig konträr zu unserer urbanen Lebenswelt steht. Das hat er zuletzt mit dem diskriminierenden Papst-Dokument vom November gezeigt, mit dem homosexuelle Priesteramts-Kandidaten ausgeschlossen werden.“ Die SPD lässt sich bei der Papst-Frage nicht in die Karten schauen: „Ich finde es ärgerlich, dass das jetzt öffentlich diskutiert wird“, sagt SPD-Stadtrat Christian Müller. „Es ist eigentlich ein Grundsatz, dass Ehrungen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Es kann ja gut sein, dass ein zu Ehrender die Ehre nicht bekommt – das schadet seinem Image ungemein. Auf diese Weise ging der ursprüngliche gut gemeinte Gedanke nach hinten los.“

Müller unterstellt der CSU, dass sie sich mit der öffentlichen Diskussion „politisch profilieren“ wolle – und das sei wirklich nicht der Sinn einer Ehrung. Daher werde das Procedere folgendermaßen ablaufen: Der Ältestenrat wird im kommenden Jahr eine nicht öffentliche Entscheidung treffen, die Vollversammlung wird dieser – ebenfalls nicht öffentlich – beipflichten oder widersprechen.

Auch Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hält sich in der Diskussion zurück: „Ehrungen werden grundsätzlich ausschließlich intern und diskret im Einvernehmen mit der betroffenen Person beschlossen“, lässt er dem SamstagsBlatt über Andreas Danassy, einen seiner Sprecher, ausrichten. Für Rainer Schießler, Pfarrer von St. Maximilian in der Isarvorstadt, ist diese ganze Diskussion eine Farce: „Wenn ich Papst wäre, würde ich sagen: ‚Ich bin Ehrenbürger von Marktl – das reicht mir vollkommen’“, glaubt er. „Ich würde die Münchner Ehrenbürgerwürde ablehnen. Als Kardinal Ratzinger wurde er ja auch nicht akzeptiert von der Stadt. Wenn ich eine zweite oder dritte Einladung zu einer Party bekomme, für die ich zuvor ausgeladen wurde, nehme ich doch nicht mehr an.“ Wenn eine solche Verleihung nicht „aus Liebe“ geschehe, und das tue sie nicht, wenn „derart darüber diskutiert wird“ – dann sei sie ohnehin nichts wert. Überhaupt: Der Papst sei auch ohne Ehrenbürgerwürde heilig genug. „Der Stadtrat soll sich besser um andere Dinge kümmern, Kinderkrippenplätze schaffen und so. Dem Papst ist es doch egal, ob er Ehrenbürger ist oder nicht“, meint Pfarrer Schießler.

Sein Vorschlag: „Ich als Pfarrer von St. Maximilian würde die Ehrenbürgerwürde annehmen“, sagt er mit einem breiten Grinsen. „Richten Sie das dem Herrn Ude aus – ich würde es gerne machen.“ Vielleicht, und das kann gut sein, wären damit auch alle Parteien im Stadtrat zufrieden. Von Nadine Nöhmaier

Die Stationen Benedikts XVI.

Joseph Alois Ratzinger wurde am 16. April 1927 im oberbayerischen Marktl am Inn geboren, seine Kindheit verbrachte er in Traunstein.

Von 1946 bis 1951 studierte er katholische Theologie und Philosophie in Freising, München und Freiburg.

Am 29. Juni 1951 wurde er zum Priester geweiht.

1952 begann er seine Lehrtätigkeit an der Hochschule Freising, 1953 promovierte er in Theologie, vier Jahre später wurde er Professor.

1976 wurde er Vizepräsident der Universität Regensburg, ehe er am 25. März 1977 von Papst Paul VI. zum Erzbischof von München und Freising ernannt wurde und kurze Zeit später zum Kardinal.

1978 nahm Kardinal Ratzinger an den Papstwahlen von Johannes Paul I. und Johannes Paul II. teil.

Am 19. April 2005 wurde er im vierten Wahlgang nach 26 Stunden Konklave zum Nachfolger von Johannes Paul II. gewählt – zum 265. Papst in der Geschichte der katholischen Kirche. Er besitzt die deutsche und die vatikanische Staatsbürgerschaft. Und heißt jetzt Papst Benedikt XVI.

Artikel vom 21.12.2005
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