Haushalt 2006: Künftig Zweitwohnsitz-Steuer – und sogar Strafzettel werden teurer

München - Der Speck der Stadt muss weg

Stadtkämmerer Ernst Wolowicz warnt: die Stadt muss weiterhin sparen, will sie handlungsfähig bleiben. Fotos: nan

Stadtkämmerer Ernst Wolowicz warnt: die Stadt muss weiterhin sparen, will sie handlungsfähig bleiben. Fotos: nan

Die gute Nachricht verkündete Stadtkämmerer Ernst Wolowicz bei der Vorstellung seines Haushaltsplans für 2006 vorneweg: Die Stadt hat 2005 so viel Gewerbesteuer eingenommen wie nie zuvor – 1,3 Milliarden Euro. Weiter jubilierte er, weil die Einnahmen im kommenden Jahr wohl ähnlich hoch ausfallen werden. Doch dann kam die Hiobsbotschaft hinterher: die Stadt werde sich auch 2006 verschulden müssen – nicht nur, um über die „lebensnotwendigen“ Runden zu kommen, sondern auch, um in wichtige Projekte zu investieren.

Neue Kredite in Höhe von 316 Millionen Euro müssten mindestens aufgenommen werden, wie der Kämmerer vorrechnet. Und zusätzlich stehen weitere Kürzungen und höhere Gebühren ins Haus, um den Haushalt „ansatzweise in den Griff zu bekommen“, wie der Stadtkämmerer ankündigte: Es drohen beispielsweise höhere Verwaltungsgebühren, steigende Mieten bei städtischen Wohnungen und saftigere Knöllchen – denn sogar Strafzettel werden wohl bis zu 16 Prozent teurer. „Es ist ein Alarmzeichen, dass trotz dieses Gewerbesteuer-Booms keine Entschuldung möglich ist, sondern weiterhin beträchtliche Kredite aufgenommen werden müssen“, warnte Wolowicz.

Um die Neuverschuldung auf Null zu drücken, müsste der Haushalt für 2006 um 20 Prozent gekürzt werden: „Das ist allerdings unmöglich. Denn wichtige Investitionen stehen auf dem Plan.“ 784 Millionen Euro sollen sie 2006 kosten, eingerechnet sind in diese Summe allerdings weder notwendige Umbaumaßnahmen an städtischen Gymnasien, die nochmals 18 Millionen Euro kosten dürften, noch der bereits genehmigte Bau der Nordumgehung Pasing (15 Millionen Euro) und der Erwerb der Prinz-Eugen-Kaserne (ebenfalls ein zweistelliger Millionenbetrag). Um die Stadt nicht ins finanzielle Aus zu katapultieren, verordnet der Kämmerer bis 2011 ein rigoroses Sparprogramm: Bis dahin sollen die städtischen Referate 240 Millionen Euro abspecken. Vor allem weniger Personal- und Sachkosten soll die Stadt künftig verursachen. Aber nicht einmal die rot-grüne Mehrheit im Rathaus wird bei der Vollversammlung des Stadtrates am kommenden Mittwoch den Plänen des Kämmerers voll und ganz zustimmen: „Wir können kein Personal mehr einsparen“, ist SPD-Stadtrat Nik Gradl überzeugt. Um sich dennoch nicht bis in galaktische Höhen zu verschulden, werden SPD und Grüne bei der Haushalts-Sitzung einen kreativen, aber wohl wenig populären Vorschlag machen: Die Stadt soll ab 1. Januar 2006 eine Zweitwohnsitz-Steuer erheben. 9 Prozent seiner Kaltmiete muss künftig zahlen, wer in München einen Zweitwohnsitz gemeldet hat. 168.000 Münchner werden davon betroffen sein – darunter viele Studenten. Gehört dem Bürger mit Zweitwohnsitz seine Münchner Wohnung, wird die Steuer auf Basis der ortsüblichen Miete berechnet.

Die Stadt hat hiervon jede Menge finanzieller Vorteile: Die Einnahmen dieser Steuer schätzen die Rathaus-Politiker auf gut neun Millionen Euro. Durch die Bürger, die wegen der Steuer künftig ihren Hauptwohnsitz nach München verlegen, verdient die Stadt geschätzte weitere 2,9 Millionen Euro zum Beispiel durch Einkommensteuer und KfZ-Steuer. Auch aus den Töpfen der Gemeindeumlagen wird bei einer höheren Einwohnerzahl mehr Geld in die Kasse kommen.

„Für diejenigen, die weiterhin einen Zweitwohnsitz in München haben wollen, gilt: Sie nutzen genauso die breite Palette der städtischen Infrastruktur und werden deshalb auch zu deren Finanzierung beitragen. Das ist gerecht“, rechtfertigt SPD-Stadtrat Hans Dieter Kaplan das Vorgehen. „Und es schafft die Möglichkeit, insbesondere im sozialen Bereich weniger streichen zu müssen.“ Dass die Stadt die Zweitwohnsitzsteuer einführt, war vermutlich ohnehin eine Frage der Zeit: Seit am 1. August 2004 der Weg vom Bayerischen Landtag geebnet wurde, eine solche Steuer zu erheben, denken 130 bayerische Gemeinden über diese Möglichkeit nach; Augsburg und Nürnberg führten die Steuer bereits zum 1. Januar dieses Jahres ein. Aber auch außerhalb Bayerns, ob in Berlin, Hamburg oder Bremen, holen sich die Gemeindeverwaltungen Gelder von Bürgern mit Zweitwohnsitz – meist mit der Zustimmung aller Fraktionen.

Wie sich die Münchner Opposition zu diesem Vorschlag äußern wird, dürfte spannend werden. Jedenfalls kündigte die CSU-Fraktion bereits jetzt gegenüber dem SamstagsBlatt an, dass sie den Haushaltsvorschlag des Stadtkämmerers in Gänze ablehnen wird: „Der Stadtkämmerer berät sich vorab nur mit SPD- und Grünen-Stadträten. Wir erhalten seine Pläne im Gesamtpaket immer erst in den Ausschüssen kurz vor der Abstimmung. Daher können wir vorher nicht auf die Beschlussvorlagen einwirken, im Gegensatz zu den rot-grünen Stadträten“, schimpft Stadtrat Josef Schmid. „Genau diese Beteiligung bei den Beschlussvorlagen wäre aber erforderlich, um fundiert urteilen zu können.“ Auch mit Blick auf die Zukunft im Rathaus sei dies hilfreich: Falls die Schwarzen 2008 das Rathaus übernehmen sollten, so Schmid, müssten sie nämlich ansonsten erst einmal einen Kassensturz machen. Da die CSU aber nicht im Vorfeld bei der Planung einbezogen war, „braucht sich OB Ude nicht wundern, wenn wir dem Haushalt nicht zustimmen“, wettert der CSU-Mann weiter. „Zuerst wird unsere aktive Mitarbeit verhindert und dann geschimpft, wenn wir nicht ‚ja’ und ‚amen’ sagen. Die ganze Haushaltsplanung läuft für uns nach dem Motto: ‚Vogel friss oder stirb.’“

Die CSU jedenfalls werde bei der Sitzung des Stadtrats am kommenden Mittwoch an Beispielen aus der jüngsten Vergangenheit aufzeigen, wie viel Geld für wenig Nutzbares ausgegeben werde – mit Schwerpunkt auf die Ausgaben für die Beschleunigungen von Bus- und Trambahnlinien: „Die am vergangenen Dienstag beschlossene Beschleunigung der Buslinie 52 durch eine veränderte Ampelschaltung befördert die Fahrgäste 17,6 Sekunden schneller von Haltestelle zu Haltestelle“, erklärt Schmid. „Insgesamt ist die Buslinie mit ihren 17 Haltestellen fünf Minuten schneller am Ziel. Der Kostenpunkt für diesen Spaß: Gut 2 Millionen Euro.“ Ein weiteres Beispiel: Die 19er Tram soll vom Pasinger Marienplatz bis zum dortigen S-Bahnhof verlängert werden. Sie würde somit 250 Meter weiter fahren. Der Umbau würde 17 Millionen Euro kosten. Schmid: „17 Millionen Euro für 250 Meter, das ist Irrsinn. Hier geraten sämtliche Relationen aus den Fugen.“ Der CSU-Mann spekuliert, dass sich die SPD mit dieser kostspieligen Maßnahme nur davor drücken will, die U-Bahn von Laim bis Pasing auszubauen.

Auch für andere „unsinnige Projekte“ werfe die Stadt das Geld hinaus: Beispielsweise über 100.000 Euro für ein „vegetarisches Schaukochen“ oder die Aktion „Freudentanz“, ein multikulturelles Tanzprojekt. Oder 30.000 Euro für die Untersuchung „Der mittlere Ring als medialer Raum“ – von der Schmid nicht mehr Erkenntnis erhalten hat als: „Schilder neben der Fahrbahn stehen im Regelfall in Fahrtrichtung“. „Es ist schon mehr als zweifelhaft, ob es so etwas in Zeiten absoluten Überflusses geben darf. Aber auf keinen Fall sind solche Ausgaben opportun in diesen Zeiten leerer Kassen.“ Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 08.12.2005
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