Suchtszene rund um den Orleansplatz: Bürger klagen über verstärkte Probleme

Haidhausen · Neue Strategien gefragt

Blick vom Pariser Platz in die Weißenburger Straße gen Orleansplatz. Bewohner und Geschäftsleute klagen über die Drogenszene. Was helfen könnte: räumliche Veränderungen. Der Pariser Platz soll wieder zum Schmuckplatz werden.	 Foto: ms

Blick vom Pariser Platz in die Weißenburger Straße gen Orleansplatz. Bewohner und Geschäftsleute klagen über die Drogenszene. Was helfen könnte: räumliche Veränderungen. Der Pariser Platz soll wieder zum Schmuckplatz werden. Foto: ms

Haidhausen · Derzeit häufen sich die Beschwerden über die offene Drogenszene rund um Orleans-, Pariser- und Bordeauxplatz. »Wir haben hier am Orleansplatz schon seit vielen Jahren mit Obdachlosen und Drogensüchtigen zu tun. Allerdings hat sich deren Zahl in den letzten zwei bis drei Monaten verdreifacht«, konstatiert eine Standlbetreiberin vom Orleansplatz.

Dieser Ansicht ist auch Christian Horn von der Immobilienverwaltung Horn, zu dessen Mietern unter anderem das Kaufhaus Kaufring am Orleansplatz gehört: »Hauptproblem ist die mangelnde Hygiene«, sagt Horn. »Die Stadt muss sich jedenfalls was einfallen lassen, die Drogenszene muss raus aus dem Wohngebiet.« In einem Brief an die Einzelhändler rund um den Orleansplatz beklagt er unter anderem Umsatzrückgänge wegen der Drogenszene, und bat die Geschäfte um Rückmeldung. Die klagen: Drogen würden konsumiert, Passanten angebettelt, es würde gepöbelt, geschrien, öffentlich uriniert, in Hinterhöfen und tagsüber auch am Bordeauxplatz.

Den Suchtkranken müsse geholfen werden, so der Tenor, aber: »Die Existenz der Geschäfte in der Weißenburger Straße ist ernsthaft bedroht, weil die Kunden nicht mehr kommen.«

Die Zahl der Suchtkranken rund um den Orleansplatz hat in der letzten Zeit tatsächlich zugenommen, bestätigt Robert Welzmiller von der zuständigen Polizeiinspektion Au. Der Grund: Gezielt habe die Polizei mehrere Brennpunkte der Drogenszene in der Innenstadt aufgelöst. Die Folge: »Ausweichtendenzen« – hin zum Orleansplatz, verkehrsgünstig gelegen.

Aber schon länger gebe es hier verstärkt Probleme mit der Szene. »Allein in der Weißenburger Straße haben sich die Ladendiebstähle in den letzten zwei Jahren vervierfacht«, sagt Welzmiller, »diese Zahl ist aber nicht repräsentativ.« Diese Entwicklung sei aber auch dadurch begründet, dass vom privaten Sicherheitspersonal der Geschäftsleute mehr Täter angezeigt würden.

Und da auch das immer wieder für Aufregung sorgt: die Zahl der gefundenen Drogenspritzen liege pro Jahr »nur« im einstelligen Bereich, so Welzmiller. Strategie der Münchner Polizei sei es allgemein, die Drogenszene zu entzerren und zu »sprengen«. »Das ganze Problem ist aber allein durch die Polizei schwer in Griff zu bekommen«, gibt Welzmiller zu bedenken, »denn es ist ein gesellschaftliches.« »Jeder verlangt eine Lösung, aber eine Zauberformel gibt es nicht«, sagt Adelheid Dietz-Will, Vorsitzende des Bezirksausschusses Au-Haidhausen (BA 5). Was aus Sicht des BA helfen könnte: auf den Orleansplatz kommt ein öffentliches WC. Außerdem arbeitet der BA mit dem Baureferat derzeit an einer Umgestaltung des Pariser Platzes.

Der BA fordert auch münchenweit eine neue Strategie im Umgang mit den Drogenkranken: Es gebe derzeit stadtweit zu wenig Ärzte und Apotheken, wo die Süchtigen Ersatzstoffe bekommen. Auch Haidhausen hat unter diesem »Versorgungstourismus« gelitten, so Grünen-Fraktionssprecher Werner Walter. Dass ab sofort keine Apotheke im Stadtteil mehr Ersatzstoffe an Süchtige ausgibt, könnte negative Auswirkungen entschärfen und verringern.

»Die Verdrängungsstrategie der Polizei, um eine offene Drogenszene zu verhindern, ist zwar richtig, aber das Problem muss man an der Wurzel anpacken: im psychosozialen Bereich.« sagt der Drogenbeauftragte der Stadt, Michael Lubinski. »Wir müssen mehr tun«.

»Die Klagen der Bürger und Geschäftsleute sind berechtigt«, bestätigt Michael Lubinski, »aber die Situation rund um den Orleansplatz ist kein Einzelfall. Es gibt verstärkt Beschwerden aus verschiedenen Stadtteilen.« Seit elf Jahren ist Lubinski der Drogenbeauftragte der Stadt, all diese Beschwerden landen bei ihm auf dem Schreibtisch und er bildet damit eine Schnittstelle zwischen Politik, Bürger, Polizei und Süchtigen.

Aufgrund der Beschwerden prüft Lubinski derzeit die Situation am Orleansplatz. Die Drogenszene mache am wenigsten Probleme, Sorgen mache die zunehmende Zahl von Alkoholkranken, die zwar eine Wohnung im Stadtteil hätten, aber sich zum Trinken auf Plätzen träfen, die so genannten »Stammsteher« oder »Wohnungsflüchter«, wie Lubinski sie nennt. »Vielfach sind es diese Alkoholkranken, die pöbeln und für Ärger sorgen.« Während man zudem gegen Drogensüchtige mit der Kraft des Gesetzes vorgehen könne, sei die Handhabe gegen Menschen, die an öffentlichen Plätzen legalen Alkohol konsumieren und auffallend werden, schwieriger. Und während die Münchner Drogensüchtigen – 4.000 Fixer gebe es, schätzt Lubinski – sehr gut mit Hilfsangeboten versorgt seien und die Hälfte von ihnen diese auch erreiche, gebe es für die 40.000 geschätzten Stammsteher in ganz München nur eine einzige Streetworkerstelle. Die sollte zudem noch kürzlich gestrichen werden.

Nach Protesten wird sie nun zur Hälfte von Sozialreferat und dem Referat für Umwelt und Gesundheit bezahlt. Lubinski will nun die Zahl dieser Stammsteher an Münchens Plätzen erheben, um Druck zu machen und zu ermitteln, ob eine Streetworkerstelle tatsächlich reicht. Vor vier Jahren habe man das Problem der Stammsteher bereits erkannt. Der Stadtrat habe dazu ein Konzept Lubinskis beschlossen, zwei Jahre wurde es nun erprobt. Dass das funktioniert, zeige die entspanntere Situation am Michaelibad, weiß der Drogenbeauftragte. Es habe bewiesen: »Optimal ist die Präsenz der Polizei und Streetwork«, erklärt Lubinsiki. Allein es fehlt das Geld – »dafür fehlt das Geld«, appelliert Lubinski an die Politik. »Denn: Den mündigen, suchtfreien Bürger gibt es nun mal nicht zum Nulltarif.« Michaela Schmid

Artikel vom 25.10.2005
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