Albrecht Ackerland über Raucher

„Da schau her“

Oft sitzt man als Schreiberling vor einer leeren Seite, die recht zügig voll sein sollte, weil ein ganzer Stamm von Leuten schon darauf wartet: Verleger, Redakteure, Grafiker, Setzer, Drucker, Auslieferer, Boten... Das Thema weiß man, ein Haufen Textbausteine wabbern schon im Kopf rum. Aber wie anfangen?

Sie merken, ich habe mir ausnahmsweise erlaubt, genau das zu beschreiben, was los war, bevor dieser Text entstand. Ein Hilfsmittel. Ich bediene mich in solchen Situationen meist noch eines Hilfsmittels: Zigaretten.

Mir ist zwar vollkommen klar, dass jedes Mal nach solchen Textschwierigkeiten mein Büro stinkt. Mir ist auch klar, dass das Hirn keinesfalls besser arbeitet, wenn man sein Blut mit Nikotin und seine Lunge mit Teer anreichert. Kaute ich zur Ideenfindung Fingernägel, wäre es der Gesundheit zuträglicher, nur müsste ich fortan Handschuhe tragen, um nicht als extremer Nervösling aufzufallen. Ich könnte auch eine Butterbrezn nach der anderen essen, doch davon wird die Tastatur dann so fettig.

Also wird geraucht. Es ist kein Genussrauchen, das gebe ich gerne zu. Wenn ich genussrauche, dann sowieso diese leckeren Cohiba-Zigarillos, nur kosten 20 Stück von ihnen 15 Euro, also eignen sie sich eher nicht zum Stressrauchen. Ich kann Ihnen nicht aufzählen, wie oft ich schon versuchte, das Stressrauchen aufzugeben. Wahrscheinlich sollte ich einfach das Schreiben aufgeben, dann müsste ich nicht mehr stressrauchen. Ohnehin könnte ich mir dann keine Rauchware mehr leisten, weil ich ohne der Lohnschreiberei kein Einkommen mehr hätte.

Einmal versuchte ich mittels eines literarischen Textes aus Sicht einer gereiften Dame, mir selbst die Gefahren des Rauchens vor Augen zu führen, um so das Rauchen aufzugeben. Doch schon am Textende versagte ich kläglich.

Doch lesen Sie selbst: Zigaretten waren aus, so musste ich zur Tankstelle mit dem 24h-Schalter. Kaum erstanden, riss ich die Packung auf. Da die Tankstelle an einer Straße liegt, kam ich nicht umhin, diese zu überqueren. Ich hatte gerade geschafft, eine Zigarette heraus zu nesteln und sie zwischen meine kirschrot gefärbten Lippen zu – nun ja – stecken, als ich von einem Fünfzigtonner erfasst und bis zum Mittleren Ring mitgeschleift wurde, am Kühlergrill hängend wie die Gallionsfigur eines Fünfmasters. Am Straßenrand standen Kinder, die mich ob meines Leides entsetzt anstarrten. Ich rief ihnen zu: „Kinder! Schaut mich an! Rauchen ist so gefährlich! Fangt es am besten gar nicht erst an!“ Nachdem ich ihnen meine geöffnete Packung zugeworfen hatte, um die Wirkung meiner Warnung zu überprüfen, schauten sie, hoben sie auf und: begannen zu rauchen. Ich erkannte, dass ich nicht das Zeug zur EU-Gesundheitsministerin hatte. Und tat meinen letzten Zug.

Artikel vom 13.10.2005
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...