Büchergeld, Verstaatlichung und Rauchverbot

München · Ein bewegtes Schuljahr

Führt Rauchverbot und Büchergeld an bayerischen Schulen ein: Bayerns Kultusminister Siegfried Schneider (CSU).	 Foto: Archiv

Führt Rauchverbot und Büchergeld an bayerischen Schulen ein: Bayerns Kultusminister Siegfried Schneider (CSU). Foto: Archiv

Münchens und Bayerns Schulpolitiker haben zurzeit einen rappelvollen Stundenplan – viele Neuerungen und Pläne sorgen für hitzige Debatten und benötigen weitere Entscheidungen. Nachsitzen muss wohl vor allem Bayerns Kultusminister Siegfried Schneider (CSU): Er muss schleunigst überzeugend auf den Vorwurf kontern, die Einführung des Büchergeldes zum 1. Oktober sei eine „Nacht-und-Nebel-Aktion“, wie Uwe Brandl (ebenfalls CSU) polterte.

Den Chef des bayerischen Gemeindetags erzürnt dabei nicht so sehr die Tatsache, dass Grundschüler ab sofort jährlich 20 Euro und Schüler an weiterführenden Schulen gar 40 Euro für ihre Unterrichtsbücher löhnen müssen, sondern vielmehr die komplizierte und zuweilen noch ungeklärte Zahlungsweise.

Die Wellen um diese Zusatzkosten schulischer Bildung schlugen in der letzten Septemberwoche sogar bis in das Kabinett. Bei der wöchentlichen Runde musste Schneider einen Rapport vor seinen Kollegen und Ministerpräsident Edmund Stoiber abgeben. Das Argument des Kultusministers: „Das Einsammeln von Elternbeiträgen durch Lehrer ist an den Schulen seit vielen Jahren gängige und erprobte Praxis.“ So seien schon bisher Gelder für Schullandheimaufenthalte, Kopien oder Museumsbesuche auf diese Art verwaltet worden.

Künftig sollen die Lehrer eben auch noch das Büchergeld entgegen nehmen und im Zweifelsfall, Befreiungsanträge entgegen nehmen. Ein Punkt, der in der Kritik steht, denn die würden als „Erstprüfer“ kontrollieren müssen, ob die Familie des jeweiligen Schülers Wohngeld oder Sozialhilfe bezieht und deswegen vom Büchergeld befreit werden kann. Für den bayerischen Datenschutzbeauftragten Reinhard Vetter sollten es Eltern und Erziehungsberechtigte „nicht hinnehmen“, Informationen über den sozialen Status an die Lehrer zu geben. Und auch die Verwaltung dieser Infos durch Vertrauenslehrer ist in seinen Augen nicht ausreichend. Vetter sieht in der Büchergeldverwaltung „eine wesentliche Verschlechterung zu Lasten der Eltern und der Kinder“.

Von den Elternbeiräten wird überdies die knappe Frist für das Darlegen von Befreiungsgründen als „makaber“ beurteilt: Sie endet am 1. Oktober. Auch weniger politische Fragen sind noch nicht zu Ende diskutiert, etwa ob das Geld bar oder per Überweisung eingenommen wird. Ferner ist ein Streit darüber entbrannt, ob die Gemeinden das Büchergeld für die Eltern übernehmen dürfen. Fest steht dagegen schon, dass auch Berufsschüler den Leseobolus leisten müssen - obwohl sie seit jeher alle Bücher selbst kaufen.

Und nicht nur die Kommunalpolitiker und Datenschützer sind aufgebracht, auch die bayerische Lehrergewerkschaft (GEW) schimpft, die Abschaffung der Lernmittelfreiheit sei ein „bildungs-, sozial- und familienpolitisch fatales Signal“. Die Belastungen für Eltern seien bereits durch eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen drastisch gestiegen. Auch würde sich das Kultusministerium nicht wie ursprünglich angekündigt um eine Verbesserung der Rahmenbedingungen bemühen. So würde etwa das Mitbestimmungsrecht der Eltern bei der Auswahl der Bücher weiterhin zu selten beachtet.

Was manche Schüler noch härter treffen wird, ist die Einführung des Rauchverbotes ab dem Schuljahr 2006/2007 an allen bayerischen Schulen. Ein entsprechendes Gesetz wurde diese Woche im bayerischen Kabinett beschlossen, eine Zustimmung im Landtag gilt als sicher. Es betrifft neben Schülern jeden Alters auch Lehrer, Hausmeister und Angestellte in der Verwaltung. Schneider erklärte, es sei nicht tolerierbar, dass Lehrer den Schülern „die Sucht vorleben“. Auch im Freigelände der Schulen dürfe nicht mehr geraucht werden; Raucherzimmer und -ecken werden ersatzlos abgeschafft.

Schneider begründete den Beschluss mit der „besorgniserregenden“ Zunahme jugendlicher Raucher, insbesondere Mädchen würden öfter zum Glimmstengel greifen. Insgesamt rauchen heute dreimal so viele 12- bis 14-Jährige wie 1995.

Und um das Chaos zum Start ins neue Schuljahr perfekt zu machen, herrscht im Münchner Stadtrat obendrein Uneinigkeit über eine mögliche Verstaatlichung der hiesigen Schulen. Städtische Schulen seien ihrer Zeit voraus, findet Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), zum Beispiel bei der Schulsozialarbeit oder bei der Nachmittagsbetreuung. Er lehnt eine Verstaatlichung der Schulen vehement ab. Stadtrat Hans Podiuk (CSU) ist da ganz anderer Meinung: „Ude kommt mir vor wie Schröder! Er will nicht einsehen, dass er verloren hat. In Verkennung aller finanzpolitischen Tatsachen lehnt Ude ein Millionenangebot des Freistaats – gesehen bis circa zum Jahr 2020 – ab.“

Artikel vom 06.10.2005
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