Albrecht Ackerland über Arztgebühren

„Da schau her“

Volltrunkene Oktoberfest-Besucher sollten ihre medizinische Versorgung aus eigener Tasche zahlen.“ Das fordert eine Münchner Bundestagskandidatin. „Ich freue mich auf die Wiesn. Natürlich gehört die Maß Bier dazu. Aber wer zecht, bis er ins Delirium fällt, kann den Arzt auch selber zahlen.“

Mag ja sein, dass die Dame Recht hat, wenn sie es nicht gut findet, „dass ein ehrenamtlicher Rotkreuz-Sanitäter ohne Bezahlung Erbrochenes aufwischt und die Solidargemeinschaft den Notarzt oder den Rettungswagen spendiert.“

Aber geht’s eigentlich ungeschickter, so etwas in einer Stadt zu fordern, in der ein gepflegtes Wiesnrauscherl zur Bürgerpflicht gehört? Außerdem kenne ich persönlich keinen, der sich schon einmal professionell ausnüchtern lassen musste – von den 482 Bierleichen, die das Rote Kreuz nach Angaben auf der letzten Wiesn versorgen musste, war vermutlich keiner ein waschechter Münchner.

Es wäre unstattlich zu vermuten, die Dame hat selbst schon mal die Speiseröhre in Gegenrichtung benützt, weil sie sich ein Maaaß zuviel gönnte. Jedenfalls ist sie keine solche Waschechte, konnte somit auch nicht die gute Münchner Schulbildung genießen, wovon stilistische, wenn nicht gar grammatikalische Mängel in Folgendem zeugen: „Im September 1971 bin ich in Hildesheim geboren. Meine Kindheit und Jugend habe ich in Basel, Meerbusch bei Düsseldorf, Nürnberg und Mainz verbracht. Ich bin also kein bayerisches Urviech, verstehe aber bayerisch, denn ich lebe seit etwa 12 Jahren in München.“

Ein Mensch kann und darf aufwachsen wo er will, das fordere ich schon lange. Aber dann irgendwo einzufallen und die feingeistigen Einheimischen dort als „Urviecher“ zu beleidigen – noch Fragen? Bleibt zu hoffen, dass die Dame nicht nach Berlin einrücken kann, obwohl sie dann wenigstens weg von der Münchner Straße wäre. Aber lieber lungert sie hier rum – einen gewissen Unterhaltungswert haben solche Menschen ja doch – als dass sie per Gesetz den Schweinsbraten entfetten kann. Prost.

Artikel vom 01.09.2005
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