Münchens 16 Bundestagskandidaten werben auf rund 9.800 Plakaten um Stimmen

Lächeln auf der Litfasssäule

Freundlich oder schlicht. Blau oder gelb. Die Parteien präsentieren sich unterschiedlich. Repro: Sabla

Freundlich oder schlicht. Blau oder gelb. Die Parteien präsentieren sich unterschiedlich. Repro: Sabla

Wenn die Bundestagswahl von der Anzahl der Kandidaten-Plakate abhängen würde, dann hätte Schwarz-Gelb München erobert: Rund 3500 Mal lächeln die CSU-Kandidaten von den Plakatständern in der gesamten Stadt, genauso oft wie die SPD-Wahlkämpfer; die FDP aber übertrifft die Grünen mit 1800 versus 1000 Plakaten.

Was Layout und Inhalt der Plakate betrifft, setzen die Parteien auf komplett unterschiedliche Strategien: Die FDP präsentiert sich einheitlich, die CSU altbewährt, die Grünen themenbezogen und die SPD individuell. Und SPD-Kandidatin Brigitte Meier hat sich mit ihrem Plakat sogar auf presserechtlich wackliges Terrain begeben:

Anfang dieser Woche ist auf ihrem Schreibtisch im Wahlkreis München-Süd ein Fax des Verlagshauses Gruner+Jahr gelandet mit der Aufforderung, sämtliche Wahlplakate zu vernichten. Meiers Wahlplakat-Slogans nämlich sind an bekannte Magazintitel des Verlagshauses angelehnt: „Brigitte – nicht nur für Frauen“, „Eltern – brauchen Unterstützung“, „Capital – für die Kommunen“. Gruner+Jahr sieht darin eine Verletzung der Marken- und Titelrechte.

Meier nahm den Schrieb zunächst mit Humor: „Die Zeitschrift ‚Brigitte’ hat mich auch nicht gefragt, ob sie meinen Vornamen verwenden darf. Ich lebe seit 40 Jahren mit diesem Namen, und werde oft auf die Zeitschrift angesprochen, die ich übrigens gerne lese. Aber die können mir doch nicht verbieten, ebenfalls mit dem Namen zu werben!“ Außerdem sei ihr Plakat nicht in der original „Brigitte“-Schrift verfasst.

Mitte dieser Woche einigte sie sich dennoch mit dem Verlagshaus, um keinen Rechtsstreit zu provozieren: Sie werde ihre Plakate überkleben – und „Capital“ in der neuen Plakatversion mit „K“ schreiben sowie den Schrifttypus des gesamten Slogans verfremden. Falls sie aber im Herbst in den Bundestag einzieht, will sie sich, wie sie mit einem Lachen verkündet, dem Markenrecht widmen: „So, wie das jetzt geregelt ist, ist das kein Zustand!“

Kämpferisch gibt sich auch ihr Kollege Axel Berg (Wahlkreis München-Nord): Er spielt in seinem Plakat auf sein Image als „Gallier“ an, das ihm anhaftet, seit er bei den letzten zwei Wahlen via Direktmandat in den Bundestag gewählt wurde – als einziger SPD-Kandidat im schwarzen Bayern. Sein Plakat „Ganz Bayern ist schwarz... Ganz Bayern? Nein! Wir in München-Nord wählen wieder Axel“ dürfte seinen CSU-Konkurrenten Johannes Singhammer – beim Teutates! – einmal mehr zittern lassen. Dass sie „Tausend mal besser ist“, liest man dagegen auf dem Plakat der SPD-Frau aus dem Münchner Osten, Claudia Tausend. Dass dieser Slogan vielleicht nicht tausend, aber doch einige Male besser funktionieren würde, wenn er auch Inhalt transportiert, findet selbst Adelheid Rupp, die Münchner Wahlkampfleiterin der SPD: „Daher werden wir den Spruch noch zu ‚Tausend mal besser für Frauen’ erweitern“, kündigt sie an.

Alles in allem hat jeder der Münchner SPD-Kandidaten sein Plakat individuell gestaltet, eine einheitliche Wahlkampf-Linie gab es nicht. „Auf diese Weise können die Kandidaten ihre Persönlichkeit besser darstellen“, ist Rupp überzeugt. „Eine neue Plakat-Idee verrät auch viel über die Ideen der Wahlkämpfer.“

Die CSU dagegen setzt in ihren Plakaten auf Bewährtes. Peter Gauweiler beispielsweise, Kandidat des Münchner Südens, verwendet siegessicher dasselbe schlichte Plakat-Foto wie 2002. „Man wird ja auch nicht jünger“, kommentierte eine Münchner Tageszeitung.

Und wie schon 2002 wünscht Herbert Frankenhauser, Kandidat im Münchner Osten, auch dieses Jahr wieder „Schöne Ferien und einen erholsamen Urlaub“. Bleibt für ihn zu hoffen, dass seine Wähler den Spruch nicht allzu sehr beherzigen – damit sie rechtzeitig aus den Ferien zurück sind, um dieses Mal der Union zum Wahlsieg zu verhelfen. Frankenhauser jedenfalls glaubt an den Erfolg seines Slogans: „Ich finde es gut, nicht nur politische Parolen auszurufen“, sagt er. „Man kann auch was Freundliches sagen.“ Die Leute würden positiv auf seinen Spruch reagieren: „Sie finden es nett, wenn ihnen jemand eine schöne Zeit wünscht.“ Wie bei der SPD übrigens entscheidet jeder CSU-Kandidat selbst, wie sein Plakat aussehen soll.

Ulrike Goldstein, Grünen-Kandidatin im Münchner Osten, setzt ebenfalls auf Freundlichkeit – und auf Flower Power: Die 28-jährige Rechtsanwältin ließ sich für ihr Plakat in einem Sonnenblumenfeld fotografieren. „Mir war es wichtig, ein fröhliches, frisches Plakat aufzustellen“, sagt sie. „Meine Botschaft ist, dass wir positiv und voller Elan in die Zukunft schreiten können.“

Dass die Grünen von manchen Bürgern als überfröhlich eingeschätzt werden, war allerdings an einem Plakat von Dieter Janecek, Kandidat im Westen, zu erkennen: Ein Unbekannter hatte einen Joint aus Papier an seine Plakat-Lippe geklebt. Janecek kann darüber lachen. „Wenn das jemand kunstvoll findet – bitte sehr“, sagt er. „Am Isartor hab ich statt eines Joints eine Zahnlücke gemalt bekommen. Das ist auch nicht besser. Hauptsache aber ist, dass keiner die Plakate abreißt.“

Insgesamt übrigens treten Münchens Grüne als „vierblättriges Kleeblatt“ auf, bei dem jeder ein Spezialgebiet vertritt: „Jerzy Montag hat sich Rechtspolitik auf die Flagge geschrieben, Stefan Boes steht für Soziales“, erklärt Janecek. „Ulrike Goldstein widmet sich dem Atomausstieg und meine Hauptthemen sind alternative Energien und Feinstaub.“ Die FDP tritt noch kompakter auf: Auf ihren Plakaten sind alle Kandidaten vor gleichem gelben Hintergrund abgebildet, der links oben schwarz-rot-gold wird. „Ein einheitlicher Auftritt liefert den besten Wiedererkennungswert“, sagt Daniel Volk, Kandidat im Münchner Norden. „Das wird Ihnen auch jeder Werbespezialist sagen. Die anderen Parteien scheinen das nicht hinbekommen zu haben.“

Rainer Stinner, der im Münchner Osten kandidiert, ergänzt: „Durch Einheit im Auftritt demonstrieren wir Geschlossenheit und Stärke.“ Auf „witzige Slogans“ hätten die Liberalen bewusst verzichtet, so Stinner: „Ich bin sicher, der Bürger will Inhalte – in kurzen Slogans bringen wir unsere Politik auf den Punkt.“

Dass Plakate enorm wichtig sind im Wahlkampf – darin sind sich alle Parteien einig. „Wir zeigen damit, dass wir im Stadtgebiet präsent sind“, sagt Stinner. Und Janecek (Grüne) ist überzeugt, dass die Bürger aufgrund der Plakate die Namen, die sie aus den Zeitungen kennen, mit Gesichtern verbinden können. „Allerdings“, weiß Adelheid Rupp von der SPD, „kann man es mit einem Plakat nie allen Recht machen: Jeden spricht etwas anderes an. Die Geschmäcker sind verschieden.“

Welcher Geschmack mit welchen Plakaten am besten getroffen wurde, wird sich am 18. September zeigen.

Artikel vom 01.09.2005
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