Der „Security Point“, Anlaufstelle für Hilfe suchende Frauen auf der Wiesn, ist schlecht finanziert

München - Gefeiert wird – mit Sicherheit!

Sandra Krust, von der Frauencomputerschule, Alexandra Nürnberger, Christine Rudolf-Jilg, von Amyna und Theresa Schopper, Landesvorsitzende der Grünen in Bayern (von links), werben für die Spenden-Hotline der Aktion „Sichere Wiesn“.

Sandra Krust, von der Frauencomputerschule, Alexandra Nürnberger, Christine Rudolf-Jilg, von Amyna und Theresa Schopper, Landesvorsitzende der Grünen in Bayern (von links), werben für die Spenden-Hotline der Aktion „Sichere Wiesn“.

Die „Sichere Wiesn“ bleibt unsicher. Zwar bekommen Mädchen und Frauen auch heuer am „Security Point“ Hilfe und Beratung, wenn sie sich auf dem Oktoberfest sexuell bedroht fühlen. Die Finanzierung dieser Anlaufstelle, die von den Einrichtungen „Amyna“, „Imma“ und dem Frauennotruf organisiert wird, steht aber wie die Jahre zuvor auf wackligen Beinen.

„Wir brauchen 20.000 Euro, um dieses Projekt sinnvoll durchzuziehen“, sagt Christine Rudolf-Jilg, Sprecherin der „Sicheren Wiesn“. „Zurzeit haben wir etwa 10.000 Euro.“ Genug, um mit der Arbeit zu beginnen. „Eine Fahrtkostenerstattung für die ehrenamtlichen Helferinnen ist aber nicht mehr drin.“

Vier Vergewaltigungen und neun sexuelle Belästigungen wurden im vergangenen Jahr auf dem Oktoberfest angezeigt. „Die Dunkelziffer dieser Delikte ist deutlich höher, weiß Rudolf-Jilg. „Diese Zahlen kann man mal zwanzig nehmen.“

Damit es überhaupt nicht erst zu solchen Übergriffen kommt, investiert das Projekt „Sichere Wiesn“ die Hälfte ihres Budgets in Präventionsarbeit: 60.000 Info-Blätter und etliche Plakate mit Ratschlägen für Mädchen und Frauen werden in der gesamten Stadt und an allen städtischen Schulen verteilt. Auch und gerade in den „Wiesn-Sprachen“ Italienisch und Englisch.

Nie sollten sich Mädchen beispielsweise von Buben begleiten lassen, die sie erst neu kennen gelernt haben, heißt es darauf. Sie sollen ihre Getränke nicht unbeobachtet stehen lassen, damit niemand K.o.-Tropfen hinein kippt. Und wenn jemand ein Getränk spendiert, sollen sie sich klar machen, dass sie zu keiner Gegenleistung verpflichtet sind. Männer müssen kapieren, dass „auch nach der zweiten Maß Frauen kein Freiwild“ seien. Und in jedem Fall sollen Mädchen und Frauen deutlich machen, wann der Spaß bei ihnen aufhört – „in klaren und lauten Worten“. Rudolf-Jilgs Traum wäre es, wenn alle U-Bahnen, die zur Wiesn fahren, mit diesen Hinweisen plakatiert wären. „Das kostet aber zu viel Geld.“

Im vergangenen Jahr haben insgesamt 79 Leute die Hilfe des „Security Points“ in Anspruch genommen – 60 Frauen, 14 Mädchen, 5 Buben. Erstmals wurde damals ein Fahrdienst geboten, der Mädchen und Frauen in Not nach Hause bringt. „Allgemein helfen wir Frauen in allen Situationen, die ihnen an die Seele gehen, beteuert Rudolf-Jilg.

„Beispielsweise, wenn ihnen Geld und Papiere gestohlen werden, wenn sie von seltsamen Typen verfolgt werden, wenn sie Gewalt erfahren haben.“ Die Anlaufstelle im Servicezentrum Theresienwiese (schräg unterhalb der Bavaria) sei immer von drei bis sechs Studentinnen besetzt, die die Frauen tröstend in den Arm nehmen und bei kleineren Problemen weiter helfen. Dazu kommen täglich je zwei Fachkräfte – in der Krisenberatung erfahrene Psychologen und Pädagogen.

Die Einrichtungen, die hinter dem Projekt „Sichere Wiesn“ stehen – die „Imma“, „Amyna“ und der Frauennotruf, sind während der Oktoberfest-Zeit voll und ganz mit der Aktion ausgelastet. „Das können wir uns im nächsten Jahr nicht mehr erlauben. Wir müssen auch für unsere anderen Aufgaben handlungsfähig bleiben“, klagt Rudolf-Jilg, die bei „Amyna“ arbeitet.

Sie hofft, dass vor allem Wiesnwirte und Schausteller ihr Projekt unterstützen, damit mehr Arbeitskräfte finanziert werden können. „Die Wirte sind doch ebenfalls Nutznießer unserer Aktion. Ist die Wiesn sicherer, profitiert auch das Image des Festes.“ Auch Privatmenschen können die „Sichere Wiesn“ fördern: Wer aus dem Festnetz der Deutschen Telekom die 0900/1110091 wählt, spendet der Aktion pro Anruf fünf Euro. Die Summe wird über die nächste Telefonrechnung abgebucht.

Die an die Theresienwiese angrenzenden Stadtviertel indes haben sich bereits dagegen entschieden, der Frauen-Hilfe unter die Arme zu greifen. Aus dem Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe beispielsweise hieß es, das ehrenamtliche Engagement sei zwar eine „tolle Idee“, aber für eine Spende fehle der Stadtteil-Bezug. Die Aktion betreffe schließlich die ganze Stadt, ja noch mehr: „Die Wiesn ist ein Weltereignis“, so SPD-Sprecher Andreas Lotte.

Die Polizei sieht die „Sichere Wiesn“ als „willkommene Ergänzung“ ihrer Arbeit, so Wolfgang Wenger, Sprecher des Münchner Polizeipräsidiums. „Allerdings: Bei Verbrechen jeder Art sind wir zuständig, niemand sonst.“ Grundsätzlich setzen auch die Beamten auf Prävention: „Wir hängen Plakate in den Toiletten und Gaststätten rund um die Wiesn auf, um das Gefahrenbewusstsein der Frauen zu schärfen und ihnen deutlich zu machen, dass sie gewisse Verhaltensweisen dringend vermeiden sollten.“ Wenn doch etwas passiert auf dem größten Volksfest der Welt, dann können gleich 300 Polizisten eingreifen: So viele sind täglich rund um die Uhr vor Ort. Letztes Jahr hatten sie hier 865 Einsätze.

Außerdem werden die Beamten punktuell am Eingang kontrollieren, kündigt Wenger an. „Ferner lassen wir uns Taschen und Rucksäcke zeigen. Und einige Teams werden die Bierzelte absuchen, um Anschlägen vorzubeugen.“ Zudem beobachten sie via Videokameras auch die Bereiche hinter den Zelten und weitere „Angsträume“, so Wenger. Er betont: „Die Münchner und ihre Gäste müssen aber keine übertriebene Sorge vor dem Wiesnbesuch haben: Statistisch gesehen passiert hier recht wenig.“ Man könne das Oktoberfest schließlich mit einer mittelgroßen Stadt vergleichen, da hier täglich 600.000 bis 800.000 Menschen zusammen sind.

Und: „Es gibt keine konkreten Hinweise auf ein Wiesenattentat“, weiß der Polizei-Sprecher. „Aber nach wie vor herrscht weltweit eine erhöhte abstrakte Gefährdung, wie man so schön sagt. 100-prozentige Sicherheit kann zurzeit niemand nirgends garantieren.“

Artikel vom 18.08.2005
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