Beim Boulen geht’s am Wochenende très französisch zu

München · »Ich hab ’ne Sau!«

500 Kniebeugen und 30 Kilometer stecken in einem harten Wettkampftag. In seiner gemütlichen Form ist das Boule jedoch seit Mitte der 80er Jahre aus dem Hofgarten nicht mehr wegzudenken. 	Fotos: NÖ

500 Kniebeugen und 30 Kilometer stecken in einem harten Wettkampftag. In seiner gemütlichen Form ist das Boule jedoch seit Mitte der 80er Jahre aus dem Hofgarten nicht mehr wegzudenken. Fotos: NÖ

München · Rosen duften verführerisch, unter den Platanen ruhen sich Münchnerinnen vom Shoppen aus, Springbrunnen plätschern. Auf einer Parkbank stehen zwei Flaschen mit Pastis, französischem Anisschnaps, daneben zehn Gläser. Davor zehn Männer, die in aller Ruhe Kugeln aneinander schubsen.

Fußgänger schlendern vorbei, sagen »Ah, Boule!«, oder fälschlicherweise: »Ah, Boccia!«. Die Spieler rufen: »Ich hab `ne Sau!« oder »Carreau!«. So sieht Sport aus, den man lieben kann. Sport, wie er aus französischen Dörfern nicht wegzudenken ist. Und wie ihn die »Münchner Kugelwurfunion«, auch »Union Pétanque Munichoise« genannt, Mitte der 80er Jahre bei uns hoffähig, besser: Hofgarten-fähig, gemacht hat.

Damals hatte die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung dem Verein überraschend schnell erlaubt, im Hofgarten Boule zu spielen. Was von den frankophilen Kugelwerfern gut aufgenommen wird: »Ich wette mit Ihnen, dass Sie dort von der Früh bis spätabends, sommers wie winters, täglich Boulespieler antreffen«, sagt Unionsmitglied Gilbert Stefan. »Und keine Scheu: Jeder, der mag, kann in der Regel mitspielen. Einfach nachfragen!«

500 Kniebeugen macht ein Boulespieler während eines größeren Turniers; etwa 30 Kilometer legt er zu Fuß zurück. Solche Höchstleistungen werden im Hofgarten selten abverlangt: Die Stimmung hier lebt eher von der gemütlichen Atmosphäre; die hiesigen Spieler wirken so, als wären sie gerade einer Gauloise-Werbung entstiegen. Entspannung toujours. Das Wort »Boule« bedeutet übrigens schlicht »Kugel« – und um die kleinste davon dreht sich alles. Sie trägt den deftigen Namen »Cochonet«, Schweinchen – wozu die Münchner gerne »Sau« sagen. Diese Cochonet-Kugel wird von zwei gegnerische Teams mit je zwei, vier oder sechs Spielern beschubst oder beworfen – mit stählernen Kugeln, die so groß sind wie Tennisbälle.

Wer die Zone um die »Sau« nicht trifft, hat ein »Loch«; wer nah ans »Schweinchen« kommt, bekommt einen Punkt. Und derjenige, der es wegschießt, heimst einen Extrapunkt ein.

Boccia dagegen wird nur im Sommer gespielt, am Strand, mit bunten Plastikkugeln – »um hinterher einen Sonnenbrand zu haben«, so Gilbert Stefan. Es komme außerdem aus Bella Italia. Boule dagegen ist ein französisches Spiel – un jeu très français: Die Spieler heißen hier »Tireur« oder »Pinteur«, sie spielen ein »Tête-à-tête«, eine »Doublette« oder »Triplette«, schreien vor dem Spiel »Allez« und hinterher »Fini!«. Und haben zwischen den Spielen immer Zeit für einen Anisschnaps. Santé!

Wer Lust hat auf französisches Kugelwerfen, der kann vom morgigen Freitag bis Sonntag am 23. Münchner Hofgartenturnier teilnehmen: Freitags ab 16 Uhr und samstags und sonntags wird den ganzen Tag über geboult ohne Ende. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn am Samstag findet sogar ein Nachtturnier statt, pardon: ein »Nocturne« – natürlich. Wem diese ganzen Boulebegriffe aber allzu spanisch vorkommen, der kann erst mal zuschauen – und dabei als netten Nebeneffekt sein Französisch auffrischen. Amusez-vous bien! Nadine Nöhmaier

Artikel vom 14.07.2005
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