In Sendling wird ein muslimisches Gotteshaus gebaut

München · Stadtrat gibt Moschee seinen Segen

Gegenüber der Kirche St. Korbinian am Gotzinger Platz werden Muslime ihr Gotteshaus errichten. Foto: Archiv

Gegenüber der Kirche St. Korbinian am Gotzinger Platz werden Muslime ihr Gotteshaus errichten. Foto: Archiv

Zwei 35 Meter hohe Minarette und ein imposanter Kuppelbau, darunter ein Gebetsraum, ein türkisches Dampfbad und eine Teestube – mitten in Sendling. Genau: Gegenüber der 80 Jahre alten, barockisierten Kirche St. Korbinian, die den Gotzinger Platz dominiert.

Diese Vorstellung befremdet viele Sendlinger; anderen Münchner Bürgern gefällt sie wiederum: der Bau einer Moschee trage schließlich dazu bei, die in der Stadt lebenden Muslime zu integrieren. Das denkt auch der Großteil des Stadtrats: Gegen das Votum der Sendlinger Bürgerversammlung, die letzte Woche getagt hat, und gegen den Widerstand der CSU-Fraktion hat das Gremium am Mittwoch dem Bau der Moschee seinen Segen gegeben.

Und das, nachdem sich die Debatte im Rathaus beinahe zum Glaubenskrieg ausweitete: Über drei Stunden diskutierten die Politiker im großen Sitzungssaal über das Wenn und Aber einer Moschee, übrigens die erste als solche erkennbare innerhalb des Mittleren Rings. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) kam in seiner 50-minütigen Rede vom Hundertsten ins Tausendste: Die Bürgerversammlung habe sich letzte Woche zwar gegen die Moschee ausgesprochen, das Votum sei aber nicht bindend.

Die Vergangenheit habe gezeigt, dass es manchmal sinnvoll ist, gegen Entscheidungen aus den Stadtvierteln zu stimmen. Gegen das neue Fußballstadion hätten sich die Bürger viel vehementer ausgesprochen als jetzt gegen die Moschee. Und heute höre man allerorts nur Jubel. Keiner spreche mehr von einem „Diktat des Rathauses“. Natürlich, so Ude weiter, nehme man die Bürger ernst – „aber manche Meinungen kann man eben mit guten Argumenten widerlegen“.

Es sei auch verständlich, dass Bürger manche Einrichtungen lieber im Nachbarviertel als vor der eigenen Haustüre sehen würden: „Aber dann könnten wir auch Asylanten-, Obdachlosen- und Behindertenheime sowie Kindertagesstätten zumachen: die will auch keiner nebenan haben.“ Auch die Angst vor Fundamentalismus sei unbegründet: „Fundamentalismus ist immer dann stark, wenn sich Islamisten ausgegrenzt fühlen: dann nämlich treffen Hassredner auf fruchtbaren Boden. Wir aber müssen die Gläubigen aus den Hinterhöfen holen und sie ihre Religion offen ausleben lassen.“

Hans Podiuk, Sprecher der CSU-Fraktion im Rathaus, kritisierte Ude daraufhin aufs Schärfste: „Es ist schier unglaublich, wie mit den Bürgern umgegangen wird, die sich gegen die Moschee aussprechen!“ Sie würden ins rechtsextreme Lager gesteckt, obwohl sie schlichtweg ihre Befürchtungen vor Fremdem äußern. „Das ist eine Beleidigung für jeden Sendlinger Bürger!“ Dass das Planungsreferat gesagt habe, die Moschee füge sich „städtebaulich unstrittig“ in das Viertel ein, sei außerdem eine Farce. Vor allem, wenn man bedenke, wie schwer es sei, sich eine „unauffällige Dachgaube“ genehmigen zu lassen.

Grünen-Stadtrat Siegfried Benker dagegen hielt es in seiner Rede mit einem Zitat des ehemaligen CDU-Bundesarbeitsministers Norbert Blüm: „Ein frommer Muslim in der Moschee ist mir lieber als ein besoffener Atheist im Freudenhaus.“

Jedenfalls fehlt nun nach dem positiven Bescheid des Stadtrats für die Moschee grundsätzlich nur noch eins: die Entscheidung der Lokalbaukommission. Wann die getroffen wird, stehe noch nicht fest, doch es seien keine „unüberwindlichen Probleme zu erwarten“, so Sprecher Thorsten Vogel.

Die Initiative „Bürger für Sendling“ indes wird versuchen, dem Projekt noch einen Strich durch die Rechnung zu machen: Insgesamt 2000 Unterschriften hat sie bereits gegen die Moschee gesammelt. Jetzt, da der Stadtrat die Interessen der Anwohner „übergehe“, hat „Bürger für Sendling“-Sprecherin Helga Schandl ein Bürgerbegehren angekündigt. Hierfür bräuchte sie 27.000 Unterschriften – die Stimmen von drei Prozent der Münchner Wahlberechtigten.

Im Gegensatz zur Bürgerversammlung hätte ein Bürgerbegehren Zugkraft: Bei Erfolg bewirkt es einen Bürgerentscheid, dem wiederum zehn Prozent der Stimmberechtigen zustimmen müssten. Solch ein Votum wäre für den Stadtrat zumindest eine Zeit lang verbindllich – und das Bauprojekt gescheitert.

Mehmet Curuk dagegen, Vorsitzender des türkisch-islamischen Vereins „Ditim“ und Bauherr, freut sich, dass die Moschee endlich handfest geplant werden kann. Ängste gegenüber dem Islam seitens der Sendlinger kann er nicht nachvollziehen: „Vor Gotteshäusern muss sich niemand fürchten“, sagt er. „Ich hab noch nie davon gehört, dass jemand aus der Kirche ging, und einem anderen etwas angetan hat.“ Es sei außerdem an der Zeit, sich gegenseitig kennenzulernen: „Wenn wir den Anwohnern nicht mehr fremd sind, werden sie auch keine Angst mehr haben.“

Dass die Moschee ausgerechnet gegenüber einer katholischen Kirche gebaut werden soll, betrachtet er rein positiv: „Das ist doch eine feine Nachbarschaft! Idealer können wir den Glaubensdialog nicht beginnen.“

Von Nadine Nöhmaier

Hier liegen die Listen für das Volksbegehren aus:

In München leben rund 110.000 Muslime. Diese besitzen, wie alle anderen Bürger auch, das Grundrecht auf Religionsfreiheit gemäß Artikel 4 des Grundgesetzes. Der Münchner Weihbischof Engelbert Siebler hat sich ebenso wie andere Münchner Repräsentanten der katholischen Kirche für den Bau der Moschee am Gotzinger Platz ausgesprochen. Vor allem auch, weil der türkisch-islamische Verein „Ditim“, der künftige Bauherr, bekannt sei für seine Offenheit und seine Dialoge mit christlichen Stellen.

Gegen „Ditim“ liegen – sonst wären derartige Verhandlungen über den Moschee-Bau ausgeschlossen – keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor. Im Gegenteil: Der Verein stehe laut Oberbürgermeister Ude in enger Verbindung mit dem türkischen Staat und trete entschieden gegen Islamismus und Fundamentalismus auf. Er habe übrigens auch sämtliche Auflagen der Stadt hinsichtlich der Auslebung des Glaubens ohne Zögern unterschrieben: So werde beispielsweise kein Muezzin vom Dach der Moschee zum Gebet rufen.

Finanziert wird der Bau des muslimischen Gotteshauses durch den Verkauf des Grundstücks des bisherigen Versammlungsortes der gläubigen Muslime an der Schanzenbachstraße.

Artikel vom 23.06.2005
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...