Doctor Faustus in der Echtzeithalle

»Deutschlandpremiere«

Haidhausen · Die Tänzerin und Choreografin Eva Weißmann und ihre Ensemble »we are we«, hatten ihre Deutschland-Premiere des Stückes »Doctor Faustus Light The Lights« in München in der Echtzeithalle am 24. November 2000.

Das anspruchvolle Stück, das sich mit dem bekanntesten abendländischen Mythos vom Doctor Faustus aus einer weiblichen Perspektive heraus auseinandersetzt, will als eine Umsetzung der Schreibtechnik von Gertrude Stein auf der Bühne verstanden werden. Dabei versucht Eva Weißmann nicht, einen besonders modernen, oder gar gefälligen Faustus anzubieten, sondern sie lässt sich von Gertrude Steins Kunsttheorie und Schreibtechnik führen.

Das Stück zeigt einen mutigen Genrewechsel zwischen Lesung und Chorus, zwischen Tanzen ohne Musik und Musik aus Tisch- und Stuhlgeräuschen. Wiederholungen ein- und desselben Themas werden benutzt, um einen bestimmten Rhythmus in das Stück hineinzubringen, der einen inhaltlichen, wie formalen Zusammenhalt gewährleistet. Im Laufe des ganzen Stückes spielt das Hörbare eine besondere Rolle. Da es im strengen Sinne keine begleitende Musik gibt, muss jede Handlung, jedes Geräusch ihre Rolle übernehmen: Kreide auf Papier, Münzen auf einer Metallschale, Tische und Stühle auf dem Boden, Stimmen als Wort und Gesang transformieren zum Rhythmus, zur Musik. Der bekannte Musiker Muneer Fenell zaubert Töne aus verschiedenen Gegenständen heraus und verwundert die Zuschauer mit seiner hochkarätigen Kunst an Instrumenten und am eigenen Körper. Nichts desto trotz ist das Stück für den heutigen Medien-gewohnten Zuschauer eine Herausforderung, denn manche Szenen sind in ihrer Langsamkeit und Stille das Gegenteil zu einem Actionsgewitter eines Spielfilmes. Es wird z. B. die unkonventionelle Aktion des Modellierens einer Schlange durchgeführt, oder auch eine ausgedehnte Rezitation eines Textausschnittes von Gertrud Stein, der in einem melodisch-pathetischen Sprachduktus vorgetragen wird.

Etwas schwierig nachzuvollziehen ist die schauspielerische Darstellung von Hunden: Es sind nicht Hunde zu sehen, sondern Menschen auf Händen und knien, die Hunde sein wollen, aber eine anschauliche Transformation findet nicht statt. Die Zuschauer haben mit viel Aufmerksamkeit die Aufführung verfolgt und die Choreografin war mit der Darstellung mehr als zufrieden. Das Stück wird im nächsten Jahr an verschiedenen Orten in Europa auf Tournee gehen.

Artikel vom 06.12.2000
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