Viele Münchner Politiker sind fit und wackeln dennoch

München vor der Wahl: Nur Gewinner

So einig sind sich die Fraktionen in Münchens Rathaus höchst selten: Unisono verkünden sie, dass sie fit sind für den Bundestags-Wahlkampf, und dass sie – natürlich – der Wahl optimistisch entgegen blicken. Und das, obwohl sie zurzeit allesamt gehandicapt sind: Die Schwarzen beten, dass Wähler wie Gegner nicht allzu sehr in ihren Affären rühren; die Roten hoffen, dass der Bundestrend Halt macht vor den Toren Münchens; das Gleiche gilt für die Grünen, die lieber weiterhin ein „Stachel im Fleische schwarzer Allmachtsphantasien“ sein würden.

Und die Gelben müssen sich anstrengen, überhaupt erst ins Bewusstsein der Wähler zu rücken. Noch haben nicht alle Parteiversammlungen getagt und sind nicht alle Kandidaten abgesichert. Doch es sind nicht mehr viele Wochen bis zur geplanten Bundestags-Neuwahl; das „SamstagsBlatt“ sprach mit Parteivertretern über die Lage wenige Monate vor dem Urnengang.

Die Münchner SPD wird im Bundestags-Wahlkampf darstellen, wie erfolgreich sie und die Grünen im Rathaus kooperieren. Ihr Vorschlag: „Modell München“ für Berlin. Wobei ihnen im heimischen Wahlkampf nach Eigenaussage folgender Umstand helfen sollte: „Die Münchner CSU ist ein rechter Sauhaufen“, wie Bundestagsabgeordneter Axel Berg (SPD) betont. „Sie ist hier schlechter aufgestellt als anderswo. Rot-Grün dagegen ist eine stabile, harmonische Sache.“

Die CSU allerdings sieht das anders: „Die Harmonie bringt keinem was. Rot-Grün trifft in Harmonie falsche Entscheidungen. Zum Beispiel haben sie das Rezept des Bundes – Verschuldung bis zur Halskrause – übernommen“, sagt Münchens CSU-Chef Otmar Bernhard. München hätte bislang allein von den Gaben des Freistaats profitiert – in Sachen Infrastruktur beispielsweise. Dass dennoch Freund wie Feind nach den Partei-Affären besonders genau auf die Münchner CSU schauen werden, ist Bernhard bewusst: „Klar wird der Hohlmeier-Untersuchungsausschuss noch öfter tagen. Aber die Partei ist jetzt optimal aufgestellt, alles hat sich beruhigt, wir sind in vollem Umfang kampagnenfähig.“

Ulrike Goldstein, Chefin der Münchner Grünen, bezweifelt dies: „Die CSU wird nicht so schnell in der Lage sein, ihre Kandidaten stressfrei zu positionieren“, sagt sie. „Ihre Affären werden im Gespräch bleiben, da müssen wir nicht nachhelfen.“

Die Grünen wollen sich als eigenständige Partei darstellen – und nicht als Koalitions-Anhängsel der SPD. Münchens Grünen-Chef Florian Roth hierzu: „Bei unseren Wahlkampf-Themen werden wir definitiv nicht mit der Schere im Kopf überlegen: Was fände die SPD daran gut? Es wird ein grüner Wahlkampf, und weniger ein rot-grüner.“

Roth hofft vor allem, dass Stoiber nicht an der Regierung „mitmischen“ wird: „Das wäre absolut kontraproduktiv. Ein Beispiel: Er würde viel mehr Geld in den Straßenbau als in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs stecken.“

Die FDP allerdings sieht das anders; doch auch sie will vor allem als unabhängige, starke und marktwirtschaftliche Partei erscheinen, wie Münchens FDP-Chef Rainer Stinner betont, der kürzlich in den Bundesvorstand seiner Partei gewählt wurde. „Ein inhaltlicher Wechsel wird nur mit der FDP zustande kommen,“ ist er überzeugt. „Wir werden dafür sorgen, dass starke Wachstumsimpulse entstehen, die Dreh- und Angelpunkt für den Wechsel sind. Wenn eine Friseurmeisterin in Berg am Laim ebenso wie Infineon an eine gute Zukunft glauben, dann investieren sie und stellen Personal ein.“

Diese Impulse aber könne die FDP nur geben, wenn sie acht, neun oder zehn Prozent der Stimmen bekommt und nicht bei „um die fünf Prozent herumkrebst“. Stinner: „Das müssen wir schaffen.“

Damit für den Wahlkampf möglichst viel Zeit bleibt, haben alle Parteien auf die Schnelle die Namen ihrer möglichen Direkt-Kandidaten für Münchens vier Wahlkreise ins Rennen gebracht; lediglich wenige Plätze stehen noch offen. Folgende Politiker werden voraussichtlich im Münchner Norden zur Wahl stehen: Johannes Singhammer für die CSU, Axel Berg für die SPD, Stefan Boes für die Grünen und Daniel Volk für die FDP. Berg ist der einzige bayerische SPDler, dem bei den Wahlen 1998 und 2002 das Husarenstück gelang, einen Wahlkreis direkt zu gewinnen.

Eine Niederlage, die die CSU nicht gut verkraftet hat: „Es stinkt ihr, dass sie hier verloren hat“, sagt zumindest Berg. „Daher hat sie Singhammer anschließend auch zum CSU-Vorsitzenden gekürt, damit er etwas Glanz bekommt. Das hat aber nicht gereicht. Woraufhin sie Frau Hohlmeier an seinen Platz gesetzt haben. Wie das ausging, wissen wir alle...“

Im Münchner Osten, einem traditionell schwarzen Wahlkreis, stehen wohl Herbert Frankenhauser (CSU), Claudia Tausend (SPD), Ulrike Goldstein (Grüne) und Rainer Stinner (FDP) zur Wahl. Und für den Süden gehen vermutlich Peter Gauweiler (CSU), Brigitte Meier (SPD) und Jerzy Montag (Grüne) ins Rennen; ein gelber Kandidat steht noch aus.

Im Westen könnte es innerhalb der CSU noch zu einer Rangelei kommen: Hans-Peter Uhl, der bisherige Kandidat, kann sich dieses Mal nicht in Sicherheit wiegen, denn CSU-Rebell Aribert Wolf will möglicherweise in dessen Revier wildern. Zur Erinnerung: Wolf machte von sich reden, als er sich 1999 vom OB-Wahlkampf gegen Christian Ude zurückziehen musste: Er war über sein Wahlplakat mit der Aufschrift „Terrorzellen in München. Und die Stadt zahlt die Miete“ gestolpert, das sogar seine Partei-Kollegen als politisch inkorrekt verurteilten. 2002 schließlich unterlag Wolf im Kampf um die Direktkandidatur im Süden Peter Gauweiler; 2003 hatte er im Gerangel um einen Landtagsstimmkreis das Nachsehen. Die weiteren Kandidaten für den Westen sind vermutlich Stephanie Jung von der SPD, Adrian Dunskus von der FDP und Gerald Häfner von den Grünen.

Scheinbar kein Lieblingskandidat der einstigen Ökopartei: „Dass Häfner kandidiert – darüber wissen wir nichts“, hieß es in der Pressestelle. „Er redet scheinbar mehr mit der Presse als mit uns.“ In Münchens Tageszeitungen ist nämlich Feinstaub-Kläger Dieter Janecek als Grünen-Kandidat für den Westen angekündigt; „der Stand allerdings ist veraltet: zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wussten wir nicht, dass Herr Häfner für die Wahl zur Verfügung steht“, sagt Grünen-Chef Florian Roth.

Wie erwartet, gehen sämtliche Münchner Politiker für einen Wahlausgang zu ihren Gunsten aus: Stinner tippt darauf, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin wird: „Wer sonst?“ Otmar Bernhard ebenso. Roth meint: „Sag niemals nie: Rot-grün.“ Und Axel Berg: „Schröder wird zwar mit Bauchschmerzen gewählt werden, aber er wird es machen.“ Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 02.06.2005
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...