Der Münchner Fußball zieht nach Fröttmaning

Neue Schüssel für den Fußball

Nah dran, statt nur dabei: Die Allianz-Arena ist ein Fußballstadion. Nicht mehr und nicht weniger. Foto: AA

Nah dran, statt nur dabei: Die Allianz-Arena ist ein Fußballstadion. Nicht mehr und nicht weniger. Foto: AA

München hat endlich eine Kathedrale. Mit Pauken und Trompeten wird sie kommenden Montag und Dienstag eingeweiht. Bis zu 66.000 Anhänger werden fortan regelmäßig dorthin pilgern. Endlich: Habemus Allianz-Arena. Ein würdiger Ort für göttlichen Fußball.

Und noch mehr: „Es ist das geilste Stadion der Welt“, jubelt Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus. Und auch das inoffizielle Eröffnungsspiel am 19. Mai lief glatt über die Bühne. Eine gute Generalprobe – ist das kein schlechtes Omen für die weiteren Vorstellungen?

„Nein!“, widerspricht Arena-Boss Bernd Rauch. „Es wird alles noch viel besser.“ Dass es im ganzen Stadion nur noch bargeldlosen Zahlungsverkehr gibt – das werden die Leute beispielsweise schon noch lernen, und künftig rechtzeitig ihre Chip-Karten aufladen. Denn das Parkhaus beispielsweise kann nur verlassen, wer noch mindestens fünf Euro auf seinem Konto hat. „Wir werden die Besucher in Zukunft noch besser über die verschiedenen Ladestationen informieren“, sagt Rauch. Ferner werden Techniker die Tonanlage optimieren. Das sei aber kein Problem: „Im leeren Stadion war der Ton hervorragend. Jetzt müssen wir ihn nur noch für das volle Haus justieren.“

Dass der Rasen beim Pre-Opening noch nicht fest genug angewachsen war – das hätte man nicht vermeiden können: „Da war nichts zu machen wegen des Sauwetters der letzten Wochen“, erklärt Rasen-Produzent Horst Schwab, der überzeugt ist, dass das heilige Grün am Montag eine perfekte Unterlage für das Eröffnungsspiel bietet.

Man sieht: Es scheint soweit keine größeren Probleme mehr zu geben, und das, obwohl erst vor 950 Tagen der Grundstein für die Allianz Arena in der Fröttmaninger Einöde gelegt wurde – zwischen Autobahnkreuz und Kläranlage. Bis zu 600 Arbeiter gleichzeitig waren zeitweise Tag und Nacht für den Neubau des Münchner Stadions am Werk, rund 160.000 Kubikmeter Beton und 32.000 Tonnen Stahl haben sie verbaut. Offiziell eröffnet wird das Stadion, das der Volksmund auch „Riesen-Qualle“, „Autoreifen“ und „Gummiboot“ nennt, am 30. Mai beim Freundschaftsspiel des TSV 1860 München gegen den 1. FC Nürnberg – ab 20.15 Uhr.

Das Rahmenprogramm startet um 18.40 Uhr mit einem Konzert der Münchner Kultband „Spider Murphy Gang“. In der Halbzeit singen „Right Said Fred“ „I’m too sexy“. Und nach dem Spiel rocken „Status Quo“ das Stadion. 1860-Geschäftsführer Detlef Romeiko ist begeistert: „Für uns und unsere Fans ist es eine große Ehre, als Erster das Stadion betreten zu dürfen. Dies wird immer in den Köpfen verankert bleiben. Das wird eine wunderschöne Veranstaltung, auf die wir uns jetzt schon alle freuen können.“

Und weil auch der FC Bayern als quasi Erster das Stadion betreten will, ist die Eröffnungsfeier offiziell erst am 31. Mai beendet – nach dem Spiel des FC Bayern gegen die deutsche Nationalmannschaft. Das erste offizielle Münchner Derby findet kurz darauf, am 2. Juni, statt – ab 20.30 Uhr. Was jetzt Schlag auf Schlag geht, begann ziemlich schleppend: Im Jahre 1997 hatte „Kaiser“ Franz Beckenbauer zum ersten Mal seine Vision eines neuen Stadions in Worte gefasst: „Fußball schauen soll allen Spaß machen und ein tolles Erlebnis sein“, sagte er damals, und man hatte fast den Eindruck, er träumte von Terroristen, die das denkmalgeschützte Olympiastadion von 1972 in die Luft jagen möchten: Architekturfans nämlich vergötterten das Stadion mit seinem Zeltdach zwar, Fußball-Funktionäre aber hassten es. Es ist halt keine jener Jubel-Arenen, in der die Stimmung überbrodelt, sondern ein Stück Kultur.

Gut, dann müssen wir halt das Olympiastadion umbauen – beschloss man im Jahr 2000. Wogegen namhafte Architekten protestierten: Das kann man doch nicht machen! Woraufhin die Meinung sich wieder drehte: Ein neues Stadion muss her. Den Startschuss hierfür signalisierte der erfolgreiche Bürgerentscheid für den Bau des Stadions am 21. Oktober 2001, dem zwei Drittel der Münchner zustimmten.

Der Entwurf für das „Schlauchboot“-Modell stammte von den Architekten Herzog/de Meuron. Der Grundstein für die Arena wurde genau ein Jahr nach dem Bürgerentscheid, am 21. Oktober 2002, gelegt. Am 4. November 2003 fällte das Organisationskomitee der FIFA WM 2006 die Entscheidung, dass im neuen Münchner Stadion am 9. Juni 2006 das Eröffnungsspiel für die Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden soll.

Am 9. März 2004 wurde die Sicht im neuen Topf etwas trüb: Karl-Heinz Wildmoser, damals noch Löwen-Präsident und sein Sohn werden der Korruption verdächtigt: Sie sollen Details aus der Ausschreibung an die Baufirma, die den Zuschlag erhalten hat, weitergegeben und dafür 2,8 Millionen Euro kassiert haben. Wildmoser senior, das stellten die Ermittler bald fest, hatte sich jedoch nicht bereichert. Der Junior aber wurde kürzlich vom Münchner Landgericht zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt; er wird allerdings in Revision gehen. Zurzeit aber ist er auf freiem Fuß.

Zum Eröffnungsspiel wird er allerdings nicht erwartet.

Artikel vom 25.05.2005
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