Zur WM sollen die Läden länger offen bleiben

München – Ladenschluss am Ende

Schon jetzt kann man rund um die Uhr einkaufen. Wenn auch zu höheren Preisen. Fotos: Arala, MFG Werner Hennies

Schon jetzt kann man rund um die Uhr einkaufen. Wenn auch zu höheren Preisen. Fotos: Arala, MFG Werner Hennies

Der Sonntag ist der Tag des Herrn – und nicht der Tag des Hertie: Dass Geschäfte am siebten Tag der Woche geschlossen bleiben sollen, darüber sind sich Politiker und Geschäftsleute mit Gewerkschaften und Kirchenvertretern einig – zumindest, was den Alltag betrifft. Während der Fußball-WM 2006 allerdings könnten andere Gesetze gelten: Zurzeit diskutieren verschiedene Interessengruppen darüber, ob die Geschäfte während der WM-Wochen ihren Kunden rund um die Uhr zu Diensten sein sollen.

„Flexible Öffnungszeiten und verkaufsoffene Sonntage während der Weltmeisterschaft sollten für eine weltoffene Stadt wie München eine Selbstverständlichkeit sein“, sagt FDP-Stadträtin Gabriele Neff. Ihrer Ansicht nach, sollten auch die Biergärten während der WM bis in die Nacht hinein geöffnet sein. „Wenn wir beispielsweise Besuch von italienischen Fußballfans haben, dann können wir denen nicht um 22 Uhr sagen: Geht ins Hotel, jetzt wird der Biergarten dicht gemacht. Das wäre ein Armutszeugnis!“

Doch die liberale Forderung trifft nicht nur auf Gegenliebe: „Weltoffenheit hat nichts mit der Ladenöffnungszeit zu tun!“ entgegnet Hans Sterr, Sprecher der Gewerkschaft Verdi in Bayern. „Wenn die Geschäfte erst nachts schließen – dann bringt das de facto keine Umsatzsteigerung. Wegen der letzten Lockerung des Ladenschlusses wurde keine zusätzliche Arbeitskraft eingestellt, die Geschäfte haben keinen Euro zusätzlich verdient.“ Nur verlagert habe sich der Zeitpunkt, an dem Geld ausgegeben werde. „Der Preis hierfür war hoch: Die Mitarbeiter haben es wegen ihrer späten Arbeitszeit seither schwerer, ihre Freunde zu treffen.“ Und Alleinerziehende wüssten nicht, wo sie ihre Kinder unterbringen sollen: Horte und Krippen hätten schließlich auch nicht bis um 22 Uhr geöffnet.

Neff ist anderer Ansicht: „Viele Menschen wollen am Abend arbeiten, sie sind sogar dazu gezwungen“, sagt sie. Wenn Familien zusätzliches Geld verdienen müssen, könne die Frau beispielsweise nur arbeiten gehen, wenn der Mann abends auf die Kinder aufpasse.

Bereits vor einem Jahr hatte die FDP-Politikerin den Antrag gestellt, die WM als Startschuss für eine generelle Abschaffung des Ladenschlusses in München zu sehen – ohne Erfolg. Dabei sei es absurd, so Neff, den Sonntag als Verkaufstag generell abzulehnen: „Ich kann am Sonntag ohnehin kaufen, was ich mag: In Tankstellen und am Flughafen habe ich eine Riesenauswahl – allerdings zu überteuerten Preisen.“

Sterr dagegen meint, es gehöre zur Kultur unseres Landes, dass man am Sonntag zur Ruhe komme: „Das prägt unsere Gesellschaft“. Eine Ausnahme dürfte es auch zur WM nicht geben: „Sonst heißt es danach: Zur Eishockey-WM müssen wir auch eine Ausnahme machen, und zur Wiesn auch, und warum nicht auch zur Buga?“ Außerdem hält er es für sehr unwahrscheinlich, dass Fußballfans nach dem Sieg ihres Teams auf den Marienplatz gehen, „um sich dann jeweils einen Anzug zu kaufen“.

Auch die Stadtrats-Grünen glauben, dass es Fußballfans mehr in die Kneipe als zum Shoppen zieht. Siegfried Benker: „Ich gehe davon aus, dass es bezüglich des Ladenschlusses zur WM eine bundeseinheitliche Regelung geben wird. Wenn allerdings die Kommunen darüber entscheiden werden, dann stimmen wir Grünen dagegen.“ Die CSU dagegen will den Ladenschluss während der WM kippen: „Die Geschäfte können ja selbst entscheiden, ob sie länger öffnen wollen“, sagt Stadtrat Richard Quaas. Keiner werde gezwungen, und es werde auch keine „exzessiven Öffnungszeiten“ geben, zumal sich der Markt selbst regulieren werde. „Ich nehme nicht an, dass die breite Masse beginnt, sich um 3 Uhr nachts Hosen zu kaufen.“ Fußgängerzonen und Passagen würden ihre Öffnungszeiten ohnehin absprechen. Ansonsten aber sei es nur zu begrüßen, wenn die Geschäftsleute an den Touristen zusätzlich verdienen könnten. „Das täte der Stadt ganz gut“, so Quaas.

Er könne sich auch vorstellen, dass der Ladenschluss nach der WM generell aufgehoben werde – „warum nicht? Darüber sollte man zumindest kein Denkverbot verhängen.“ Allerdings – am Sonntag sollten die Geschäfte, wenn es nach dem CSU-Mann geht, geschlossen bleiben. Auch zur WM. „Der ist heilig.“

Oberbürgermeister Christian Ude wollte sich gegenüber dem „Samstagsblatt“ noch nicht zum Thema äußern, so sein Sprecher Stefan Hauf: „Er will erst abwarten, wie die ersten Diskussionen verlaufen, wie sich das weitere Vorgehen abzeichnet.“

Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern jedenfalls würde sich nicht gegen einen vorübergehenden Schluss des Ladenschlusses sperren – auch nicht am Sonntag: „Wenn das wirklich eine Ausnahme bleibt“, sagt Geschäftsführer Karl Eder, „dann geht das in Ordnung. Das Kirchenleben wird ja trotzdem stattfinden.“

Doch was passiert, wenn der Ladenschluss fällt, und keiner aufsperrt? Die Münchner Geschäftsleute reißen sich nicht darum, ihre Läden während der WM länger zu öffnen, so das Stimmungsbild bei den Einzelhändlern. In München finden vermutlich nur wenig Spiele statt, folglich würden während der WM zumindest dauerhaft keine Menschenmassen in die Kaufhäuser stürmen. Für diese wenigen WM-Tage würde sich der Aufwand nicht lohnen. Vermutlich wird es aber für die Filialen größerer Warenhaus- und Lebensmittelkonzerne eine bundeseinheitliche Lösung geben – die Entscheidung steht jedoch noch aus.

Was allerdings einen generellen Wegfall des Ladenschlusses betrifft – den würden die größeren Münchner Geschäfte in jedem Fall begrüßen, so der Tenor der Umfrage. Von Nadine Nöhmaier

Ladenschluss – Die Rechtslage

Seit 1. Juni 2003 ist der Ladenschluss folgendermaßen geregelt: An Sonn- und Feiertagen und montags bis samstags zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens müssen die Geschäfte geschlossen bleiben. Das gilt nicht für den Großhandel, für Gaststätten und Dienstleistungsbetriebe. Ausgenommen vom Sonn- und Feiertagsgesetz sind außerdem der Verkauf von Blumen-, Back- und Konditoreiwaren, von Milchprodukten, Zeitungen und ähnlichen Waren. Ebenso erlaubt ist der Verkauf an Tankstellen, im Markthandel, in Bahnhöfen, Flughäfen und in Erholungsgebieten. Außerdem dürfen Kommunen Schausonntage bestimmen, an denen alle Einzelhändler verkaufen dürfen. Im Juli 2004 hat das Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeit für die Ladenschlusszeiten vom Bund auf die Länder übertragen: Die Kommunen sollen fortan selbst entscheiden können, wie lange und wann die Geschäfte geöffnet haben. nan

Artikel vom 21.04.2005
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