An jedem dritten Tag liegt zu viel Dieselruß in der Luft –

München erstickt im Staub

Feinstaub ist kaum sichtbar und trotzdem lebensgefährlich: Vor allem neuartige Dieselmotoren stoßen die krebserregenden Partikel aus.	Foto: Energiewende

Feinstaub ist kaum sichtbar und trotzdem lebensgefährlich: Vor allem neuartige Dieselmotoren stoßen die krebserregenden Partikel aus. Foto: Energiewende

Die Feinstaubbelastung durch ungefilterte Dieselfahrzeuge macht Münchens Bürger krank – und den Stadtrat nervös: Mit einer Reihe von Sofortmaßnahmen sagt die rot-grüne Rathausmehrheit nun den Stinkern den Kampf an. Sie liegt hierbei allerdings im Clinch mit der Regierung von Oberbayern. Die Stadt München droht jetzt sogar mit einer Klage gegen die Behörde von Hans-Werner Böhm.

Hintergrund des Staubstreits ist eine Verordnung des Bundesumweltministeriums (BMU): Seit Jahresbeginn gilt ein neuer Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Das BMU setzte damit eine entsprechende Richtlinie der EU-Kommission um, das Maximum darf höchstens an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Schon jetzt allerdings hat München die Hürde 31-mal gerissen (Stand: 16. März).

Sobald der kritische Grenzwert zum 35. Mal überschritten ist, kann sich die Landeshauptstadt auf Klagen betroffener Anwohner einstellen, die dabei von Umweltorganisationen wie dem Bund Naturschutz unterstützt werden. Auch die Europäische Union könnte mit millionenschweren Bußgeldern gegen die Stadt München vorgehen – allerdings rechnet SPD-Stadrat Nikolaus Gradl nicht damit, dass die EU gleich im ersten Jahr soweit geht.

Die rot-grüne Stadtratsmehrheit will ohnehin nicht warten, bis EU und Gerichte eingreifen und nun selbst ein Bündel von Adhoc-Maßnahmen ergreifen – hat dabei aber mit dem Widerstand des Freistaats und einer verzwickten Rechtslage zu kämpfen.

Besonders notwendig ist nach Ansicht der Stadt ein Durchfahrverbot für Transitlaster: Der Mittlere Ring ist eine beliebte Durchgangsstation für LKWs mit dem Ziel Südeuropa – erst recht, seit sich die Brummifahrer auf diesem Wege um die Autobahnmaut drücken können. Zum Entsetzen der Stadtoberen wurde ein Transitverbot allerdings von der zuständigen Bezirksregierung Oberbayern abgelehnt. Auch die vom Stadtrat beschlossene Regelung, so genannte Umweltzonen einzuführen - also Gebiete, in denen nur emissionsarme Fahrzeuge fahren dürfen - wurde von der Regierung von Oberbayern kassiert.

Die Bezirksregierung ist qua Gesetz dafür verantwortlich, einen Aktionsplan zu erstellen, sobald der Grenzwert zum 35. Mal gerissen ist. „Doch sie lässt uns im Regen stehen“, klagt SPD-Stadtrat Sven Thanheiser.

„Verkehrsbeschränkende Maßnahmen sind rechtlich höchst problematisch“, verteidigt Regierungssprecherin Katrin Jahndel die Position ihres Hauses. Die freie Fahrt, die der Gesetzgeber auf öffentlichen Straßen garantiere, könne nur in absoluten Ausnahmefällen ausgehebelt werden. Bei der Feinstaubproblematik seien die Daten noch nicht belastbar genug, um die von der Stadt geforderten Maßnahmen zu rechtfertigen.

Die Landeshauptstadt will sich mit dieser juristischen Belehrung nicht abspeisen lassen: Sie will Klage gegen die Bezirksregierung einreichen, sollte diese sich weiterhin quer stellen. Noch im Laufe dieser Woche – allerdings nach Redaktionsschluss – sollte es ein klärendes Gespräch zwischen Oberbürgermeister Chistian Ude (SPD) und der Bezirksregierung geben. Scheitert der Krisengipfel, gibt es ein Wiedersehen vor Gericht. Jens Mühlhaus, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, wirft der oberbayerischen Regierung vor, das Problem aussitzen zu wollen: „Mit dieser bornierten Einstellung führt sie den Bürger an der Nase herum.“

Auch seine Partei fordert, mittelfristig die schlimmsten Stinker aus der Stadt zu schmeißen: Die Stadtspitze soll sich bei der Bundesregierung dafür einsetzen, LKWs und Autos ohne Dieselrußfilter in ganz München verbieten zu können. Dazu soll die Bundesregierung eine Kennzeichnungspflicht für filterlose Fahrzeuge einführen.

Der große Wurf auf Bundesebene, die steuerliche Förderung von Dieselrußfiltern auf Bundesebene, hängt derzeit in der Luft: Die unionsregierten Bundesländer blockieren die Regelung aufgrund von Finanzierungsfragen. In München denkt man deswegen pragmatisch, dabei könnte es auch die täglich 180.000 Münchner Pendler erwischen. SPD-Stadtrat Nikolaus Gradl bringt eine aktive Förderung von Fahrgemeinschaften ins Spiel – etwa durch eigene Verkehrsstreifen für „Carsharer“ nach amerikanischem Vorbild.

Die Grünen favorisieren weiterhin eine City-Maut, die jedoch von Thanheiser und auch den meisten anderen Parteifreunden als „Ablasshandel für die Stinker“ abgelehnt wird. Ihm gefällt zwar keine dieser Zwangsmaßnahmen, „aber die Stadt muss jetzt endlich die Zähne zeigen“. Von Martin Hoffmann

Artikel vom 17.03.2005
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...