Schrauben und mehr: Nach 130 Jahren schließt der Eisenwarenladen Kröninger

Schwabing · Stück- und grammweise

Was sich in den 440 Schubladen mit jeweils zwei Setzkästen verbirgt, wissen Rita  und Angelika Baumberger aus dem Effeff. 46 Jahre hat die Familie das Eisenwarenfachgeschäft Max Kröninger geführt. Am 31. Januar ist Schluss.	Foto: ms

Was sich in den 440 Schubladen mit jeweils zwei Setzkästen verbirgt, wissen Rita und Angelika Baumberger aus dem Effeff. 46 Jahre hat die Familie das Eisenwarenfachgeschäft Max Kröninger geführt. Am 31. Januar ist Schluss. Foto: ms

Schwabing · »Räumungsverkauf!« Hinter dem schlichten Plakat auf den Schaufenstern von »Max Kröninger« in der Markstraße 5 verbirgt sich mehr als ein weiteres Einzelhandelsschicksal inmitten von Partykneipen und schicker Turnschuhshops.

Wenn Rita Baumberger am kommenden Montag, 31. Januar, um 18.30 Uhr das letzte Mal die Ladentüre des Eisenwarenfachgeschäfts zusperrt, geht ein Stück Schwabinger Stadtteilkultur zu Ende.

»Ich habe mich damit abgefunden«, sagt die 78-Jährige tapfer, doch die Wehmut ist nicht zu überhören. Schließlich ist der Laden ihr Lebenswerk und untrennbar mit ihrer Familie verbunden.

1874 von dem Hofschlosser und Hoflieferanten Max Kröninger gegründet, hat sie das Geschäft 1959 mit ihrem Mann Georg übernommen. Und den guten Namen. Denn mit »Kröninger« verband sich bereits damals »eine Schwabinger Institution«, wie Baumberger sagt. Auch die dunklen Einbauregale bis zur Decke, die jetzt teilweise schon leer geräumt sind, stammen aus der Gründerzeit. Vom Ofenrohr über den Gurkenhobel bis zu speziellen Dübeln gab es für jedes Problem in Haus und Haushalt das passende Teilchen samt fachlicher Beratung.

28.000 verschiedene Artikel, oft ganz spezielle wie Hufnägel oder Riemenverbinder (bereits ausverkauft), auf 200 Quadratmetern, in 440 Schubläden, seien es zu den allerbesten Zeiten gewesen. Wobei Rita Baumberger und ihre Tochter uneins sind, ob sich erste Krisenerscheinungen für solch ein Geschäft wie das der Baumbergers bereits in den 80er oder erst in den 90er Jahren abgezeichnet hätten.

»Unsere Spezialität war, dass wir Schrauben oder Nägel auch einzeln verkauft haben«, sagt Angelika Baumberger, die das Geschäft nach dem Tod des Vaters mit ihrer Mutter führt. »Haben wir gerne gemacht, aber auf Dauer rentiert sich das natürlich nicht.« Doch das sei nur ein Grund unter vielen gewesen, das Geschäft zu schließen. Viele Stammkunden seien weggezogen oder verstorben. Handwerker wären wegen mangelnder Parkplätze immer seltener gekommen.

Die 58-Jährige hat, wie ihre Schwester, in dem Familienbetrieb ihre Ausbildung zur Kauffrau gemacht. Für »Haushaltswaren«. Denn die Berufsschule war damals noch strikt nach Geschlechtern und scheinbar geschlechtstypischem Lehrstoff getrennt. Schließlich durfte sie aber im Fach »Eisenwaren« die Prüfung ablegen. Sich Respekt zu verschaffen bei männlichen Kunden wie Handwerkern sei am Anfang aber nicht so einfach gewesen, erzählt Angelika Baumberger. »Bis die gemerkt haben, dass sie was davon versteht«, ergänzt ihre Mutter stolz. Was anderes zu machen, kam der 58-Jährigen nie in den Sinn, »ich bin da einfach reingewachsen.« Vermissen werden Angelika und Ruth Baumberger vor allem die Kunden, für deren Treue sie sich bedanken.

Und umgekehrt: Auch, oder gerade, wenige Tage vor Ende kommen fast im Minutentakt Menschen, fragen nach Reibepfandl, decken sich mit Schrauben ein und bedauern, dass das Geschäft schließt. Einer bringt zum Dank etwas Selbstgemachtes mit. Nebenbei gießt die Tochter Öl für den Ofen nach, bedient die Kasse und die Mutter wiegt Nägel ab. Michaela Schmid

Artikel vom 27.01.2005
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