Albrecht Ackerland über Madonnen-Kult

„Da schau her“

Dem Luca seine Mutter ist krank geworden! Die arme Nonna in Süditalien ist arthritisch geworden, rheumatisch ist sie ja schon länger. Obwohl’s da unten ja immer warm ist. Jedenfalls hat sie am Telefon dermaßen gejammert, dass der Luca den Nachtzug in den Süden genommen hat. Im Gepäck hatte er eine elektrisch beheizbare Rheumadecke.

Vorgestern kam er wieder zurück. Es hat sich rausgestellt, dass es der Mama Cherubino so schlecht gar nicht ging. Sie hatte einfach nur Sehnsucht, weil sie den Luca seit ein paar Monaten schon nicht mehr gesehen hatte. Die Jammerei rührte daher, dass sie von Lucas Bruder zu Weihnachten ein neues Handy bekam, mit dem ihr das Telefonieren jetzt noch mehr Spaß macht. Aber mit dem Luca ist scheinbar nicht so viel zu reden, also hat sie halt angefangen, ihre Symptome ein bisserl auszuschmücken. Die Heizdecke hat sie trotzdem behalten.

Der Luca hofft jetzt, dass sich der Elektrosmog vom neuen Handy und der von der neuen Decke gegenseitig aufheben. „Ja, spinnst denn du?“, hab ich ihn gefragt. „Die gute Heizdecke! Was meinst, wie wir die gut gebrauchen hätten können, wenn’s kalt wird in unserer Freya!“ Sie erinnern sich: Freya, so heißt unsere neue gemeinsame Wohnung mit nur einem Ölofen auf hundert Quadratmetern. Bald ist sie bezugsfertig, nur mit Lucas überstürzter Sorgen-Reise zur Mama hat sich unser Generalreinigungs- und Renovierungsplan nach hinten verschoben. Der greislige PVC-Küchenboden, zum Beispiel, ist immer noch nicht rausgerissen.

Wahrscheinlich ist’s aber sowieso besser ohne Elektrodecke, auch wenn ich uns jetzt schon nächsten Winter zusammen sitzen sehe, jeder in seinem Lehnstuhl und die Zeitung vor sich. Und das einzig Gesprochene wird der immer gleiche Dialog sein: „Kalt is’!“ – „Ja, kalt is’!“ Wenigstens haben wir so keinen so starken Elektrosmog. Schließlich wabbern schon genug Kraftfelder in der Wohnung herum.

Das stärkste wird vermutlich ausgesendet von dem Geschenk, das Mama Cherubino ihrem Luca machte: eine Madonna! Unten in Süditalien nämlich hat der Luca eine Konter-Jammerei gestartet. Der lange Gang in unserer neuen Wohnung in der Maxvorstadt sei ihm so unheimlich - das unwirkliche Dunkelgrün, die psychotische Siebziger-Jahre-Tapete, die rot-grün lackierte Tür, das Schummerlicht. Und überhaupt: Wo solle das noch alles enden - es habe sich herausgestellt, dass der Moshammer nicht einmal katholisch war, die Erde spielt komplett verrückt, und der Schumi darf dem armen altersschwachen Chef vom Vatikan einen Mini-Ferrari vor die Füße stellen.

Dann wurd’s scheinbar auch der Mama zu blöd, und ihr kleiner Luca bekam ein Geschenk – diese Madonna, die jetzt im halbdunklen Gang vor sich hinsteht. Jedes Mal bin ich versucht, sie als Garderobe herzunehmen, aber das geht natürlich nicht, wegen der Pietät. Außerdem: wer weiß? Vielleicht bringt sie uns alle ja den Frieden in die Wohnung! Zur Sicherheit hab auch ich mir eine Madonna besorgt. Sie ist zehn Zentimeter groß und aus Marzipan. Zuviel Kraftfeld ist schließlich auch nix. Außerdem hab ich ja noch mein Handy.

Artikel vom 20.01.2005
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