Das Backstage feiert 14. Geburtstag

Bierdusche und Bass

Die legendäre Tonne an der Donnersberger Brücke - ein Ort an dem Musikgeschichte geschrieben wurde und manche Münchner ihre Jugend verbrachten.	Foto: clash

Die legendäre Tonne an der Donnersberger Brücke - ein Ort an dem Musikgeschichte geschrieben wurde und manche Münchner ihre Jugend verbrachten. Foto: clash

Nicht mehr wegzudenken ist das Backstage von der Münchner Clublandschaft. Eigentlich ist es schon seit dem Start vor nunmehr 14 Jahren eine Institution, eine feste Größe, vielleicht das Wichtigste, was an alternativer Popkultur in der Stadt geboten wird. Und vor allem: Das Backstage bietet der Stadt die so wichtige Alternative zum Pop des Massengeschmacks.

So sehr, dass sich von Beginn an die buchstäblichen Massen zum Ort bewegen, der Backstage heißt. Doch dieser Ort war schon an vielen Orten. Nie war dieser Ort einfach. Einfach hatte er es auch nie.

Alles begann vor 14 Jahren, als eine Gruppe um den Sozialarbeiter Hans-Georg Stocker begann, wilde Punkkonzerte in einer Turnhalle in Fürstenried-West zu veranstalten. Die Boxen dröhnten, Bierflaschen zerschellten und zwischen Sprossenwänden und Basketballkörben wurde Pogo getanzt, was das Zeug hielt.

Die Idee: Vor der Bühne sollte auch hinter der Bühne sein – alles für alle. So kam der Macher Stocker schnell auf den richtungsgebenden Namen. Backstage wurde der Ort genannt, an dem morgens um Acht wieder alles blitzblank sein musste, denn dann rückten die ersten Sportgruppen an, um in der noch recht verrauchten Halle ihr Bodenturnen und Bockspringen zu üben. Freilich ging so etwas nicht lange gut, wer – auch wenn er Stocker heißt – hält schon Putzen nach Pogo aus, und welcher Sportler stellt sich an den Barren im Bierdunst oder ans Reck im Rauch.

So wurde weitergezogen. Über Umwege gelangte Stocker mit seinen Wilden schließlich zu einer verwaisten Bahn-Halle an der Donnersberger Brücke. Dieser Ort sollte legendär werden.

Stocker war überzeugt, München brauche ein Zentrum für Alternatives, für quasi außerparlamentarisch Politisches, für Unbequemes, für Ausgeflipptes, natürlich auch für Lautes. Stocker sollte Recht behalten. So wurde die große liegende Tonne mit ihren wuchernden Anbauten zum Mekka jener Münchner Szene, die sich um Bussi-Bussi-Schick, Prada-Täschchen und gefälligem Hitparaden-Geseiere einen Dreck schert.

Hier, so hieß es, wird noch ehrlich gerockt. Hier regnete es auch Mal Bier in die verfilzten Dreadlocks der Besucher, was nichts machte, denn ihren Batik-T-Shirts, ihren abgewetzten Bundeswehr-Parkas und speckigen Lederjacken sah man die Flecken ohnehin nicht an.

Immer wieder überraschte das Backstage mit großen Namen der musikalischen Nebenströme – ob New-York-Punk oder Hardcore-Rap, ob Highspeed-Ska oder Tiefbass-Dub: aus verschiedensten Richtungen kam das, was regelmäßig die Blechwände zum Scheppern und das Publikum nahe an die Ekstase brachte.

Und zum Sonnenaufgang sah man öfters den Guru Stocker persönlich mit der Gießkanne um seine geliebten Tröge und Bottiche mit den wuchernden Pflanzen schleichen.

Die Tonnen-Zeiten sind längst Münchner Geschichte. Nach zähem Kampf mit Stadt und Bahn musste Stocker mit seinem Backstage dem neu ausgewiesenen Baugebiet weichen. Mit großem Brimborium zog man 2002 um: Und zwar an die Friedenheimer Brücke, wo das Backstage seitdem in einem weißen Containerverhau residiert. Das gefiel nicht allen. Doch Dreadlocks und Parkas sieht man immer noch, und auch Punk, Rap, Ska und Dub sind geblieben. Hier wird immer noch die größte Reggae-Dancehall-Party der Stadt gefeiert: jeden Freitag lockt „Ringthealarm!“ hunderte Fans zu den Riddims und Vibes. Immer wieder geben sich wahre Größen des Geschäfts die Ehre.

Doch heute wird erst einmal Geburtstag gefeiert, mit haufenweise Specials, günstigen Eintrittspreisen und Konzerten der Sonderklasse: „Starsilver“ rücken mit ihren Midtempo-Pophymnen an, das Gitarren-Trio „Vanilla Sky“ kommt extra aus Italien und auch der neue Münchner Konzept-Rock-Stern „Verstärker“ (Ex-„Kleine Propheten“) lässt es sich nicht nehmen, mit dem Backstage ein standesgemäßes Jubiläum zu feiern. Vermutlich sind auch Bierduschen wieder inklusive.

Nur will um Acht keiner mehr an die Sprossenwand. Backstage (Friedenheimer Brücke 7) – Freitag und Samstag jeweils ab 20 Uhr. Von Albrecht Ackerland

Artikel vom 13.01.2005
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