Gedenkveranstaltung am Mahnmal für das Sammellager in Berg am Laim

Ohne Schuldgefühle

Zum Mahnmal für das Sammellager in Berg am Laim ist alljährlich ein Lichtergang.	Fotos: ms, Kolmeder

Zum Mahnmal für das Sammellager in Berg am Laim ist alljährlich ein Lichtergang. Fotos: ms, Kolmeder

Berg am Laim · Am Bahnsteig oder am Grab. Bei Abschieden finden sich Szenen der Verbundenheit und Hilflosigkeit: Umarmungen, Tränen, Geschenke, Schweigen. Besondere Bedeutung gewinnen die Rituale des Abschiednehmens, wenn Menschen vor einer Reise in eine ungewisse Zukunft stehen: angesichts Exil oder gar Deportationen spüren sie die Dimension des »Niemals-Wiedersehens«.

»Zurückbleiben und Abschied. Trennungen auf Leben und Tod in der NS-Zeit«, unter diesem Motto steht am Montag, 15. November, 19 Uhr, die diesjährige Gedenkveranstaltung der Friedensgemeinschaft Berg am Laim, am Mahnmal für das jüdische Sammellager neben der Kirche St. Michael.

In die »Heimanlage für Juden in Berg am Laim«, so der offizielle Name, wurden von 1941 bis 1943 Hunderte jüdischer Mitbürger eingewiesen und zu Arbeitsdienst verdonnert. Berg am Laim war eine Durchgangsstation: Von dort führte der Weg nach Theresienstadt oder in die Vernichtungslager. Die ehemalige Pforte des Klosters, durch die Juden in die Deportation gehen musste, wird seit 1987 durch einen Erinnerungsstein verschlossen.

Dort erinnern zwischen 50 und 120 Berg am Laimer Bürger seit 1988 alljährlich an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938, in der überwiegend SA und SS deutschlandweit mehrere hundert Synagogen in Brand gesteckt, tausende jüdische Wohnungen und Geschäfte geplündert, Juden misshandelt und getötet hatten.

Trotz des ernsten Anlasses geht es aber in Berg am Laim nicht darum in Sack und Asche zu gehen und ein möglichst betroffenes Gesicht aufzusetzen.

»Ich habe keine Schuldgefühle«, sagt Robert Zajonz, 1950 geboren, Pastoralreferent und einer der Veranstalter. »Unser Ziel ist es, an die Gegenwart zu denken: sensibel gegenüber Rechts- und Linksradikalismus zu sein oder sich für Menschenwürde einzusetzen.« Dieses Anliegen wird immer mit einem besonderen Gast vermittelt: etwa mit Zeitzeugen wie Max Mannheimer, aber auch Autorinnen wie Asta Scheib oder Mirjam Pressler. Dieses Jahr wollte Dr. Hans-Jochen Vogel zum Thema »Gegen das Vergessen« sprechen. Doch der Alt-Oberbürgermeister musste kurzfristig absagen. Für ihn springt nun Dr. Marita Krauss, Professorin für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, ein und redet über Abschiede.

Die nehmen in den Tagebüchern von Else Behrend-Rosenfeld, der von den Juden selbst eingesetzten Wirtschaftsleiterin des Lagers, einen zentralen Platz ein. Trotz SS-Kontrolle hatte das Lager eine jüdische Selbstverwaltung. Rosenfeld war es mit viel Geschick gelungen, den Inhaftierten das Leben zu erleichtern.

Beginn der Gedenkveranstaltung am 15. November um 19 Uhr im Kloster der Barmherzigen Schwestern, St. Michael-Straße 16. Nach dem Vortrag ist um 20 Uhr der Lichtergang mit Kerzen zum Mahnmal. Dort wird ein Psalm gelesen und Jahovas Magilas spielt jiddische Melodien. Um 20.30 Uhr ist eine Gesprächsrunde mit Marita Krauss im Pfarrsaal, Clemens-August-Straße 2. Michaela Schmid

Artikel vom 10.11.2004
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