Matthias Emrich half bei der ManU-Flugkatastrophe

»Ein ohrenbetäubender Knall«

War einer der ersten Helfer bei der Flugzeugkatastrophe 1958: Matthias Emrich.	Foto: sei

War einer der ersten Helfer bei der Flugzeugkatastrophe 1958: Matthias Emrich. Foto: sei

Kirchtrudering · »Ich wollte nur helfen, helfen, helfen.« Dieses Motto hat sich Matthias Emrich aus Kirchtrudering bis heute erhalten. 25 Jahre war er Busfahrer in München, und hat sich in seiner freien Zeit nach eigener Aussage immer engagiert. Zum dritten Mal kandidiert der 75-Jährige heuer wieder für den Seniorenvorstand in Kirchtrudering, »weil ich meinen Mitmenschen etwas Gutes tun möchte.«

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Und auch damals wollte er helfen. Damals, als die schlimmste Flugkatastrophe, die sich am alten Flughafen Riem ereignet hat, noch keine Geschichte war. Am 6. Februar 1958 starben beim Absturz einer Chartermaschine 23 Menschen – darunter acht Mitglieder des Fußballclubs Manchester United.

Die Fußballspieler befanden sich auf dem Rückweg von einem Europapokalspiel in Belgrad, als die Maschine beim dritten Startversuch auf der matschigen Startbahn ins Trudeln geriet. Das Flugzeug raste in einen Begrenzungszaun und hinterließ ein Feld der Verwüstung – nicht viel größer als ein Fußballfeld. Daran erinnert ein neuer Gedenkstein, der vergangene Woche an der Straßenkreuzung Rappenweg/Emplstraße enthüllt wurde. Unter den Gästen auch Emrich, der fast 50 Jahre später wieder an jenem Ort steht, an dem sich die Katastrophe ereignete.

Mit ihm hat sich ein kleiner Kreis von Politikern, Ersthelfern und Überlebenden des Unglücks – darunter Sir Bobby Charlton und Alex Ferguson – an dieser Stelle eingefunden. »Andere Leute sammeln Briefmarken. Ich sammle alles, was mich an diesen Tag erinnert.«

Ergriffen holt Emrich eine lederne Fotomappe aus seiner Tasche, in der er alle Zeitungsartikel und Bilder, die bisher über dieses Unglück erschienen sind, sorgsam aufbewahrt. Auf einem Bild ist die Maschine kurz nach der Katastrophe zu sehen. Mit dem Finger deutet er auf die Stelle, links neben dem Flugzeug und erzählt, dass er genau dort mit seinem Lastwagen gestanden und die Verletzten auf Holzpritschen gelegt habe.

Sein Blick schweift in die Ferne, wenn er sich an jenen Schicksalstag im Februar 1958 erinnert: »Ich war damals als Fahrer bei einer Möbelfirma hier in der Nähe angestellt. An jenem Tag war ich mit meinem Kollegen auf dem Weg zum nahe gelegenen Quetschwerk. Plötzlich hörten wir einen ohrenbetäubenden Knall. Wir wussten nicht, was passiert war und sind in die Richtung losgefahren, in der wir die Ursache des Lärms vermuteten. Polizei und zwei Sankaautos waren bereits vor Ort, als wir an der Unfallstelle ankamen.

Da sahen wir bereits das völlig zerfetzte Wrack der Maschine. Zuerst wollten sie uns nicht durchlassen. Aber wir erklärten ihnen, dass wir in unserem Lastwagen Holzpritschen und Decken haben und helfen möchten.« Die Stimme von Matthias Emrich stockt, als er weitererzählt: »Diesen Anblick werde ich nie vergessen. Schwerverletzte, sterbende Menschen und viel zu wenige Notärzte. Ich habe mit meinem Kollegen Decken für die Verletzten verteilt, denn es war ja bitter kalt. Der Kollege wollte die Verletzten mit dem Lastwagen ins Krankenhaus fahren – »aber mit der Federung unseres Lastwagens hätten wir die Leute ja zu Tode geschaukelt.«

Etwa zwei Stunden sei er am Unglücksort gewesen, bevor er völlig geschockt nach Hause gefahren sei. Oft sei er nach dem Flugzeugabsturz an die Unfallstelle zurückgekehrt. Doch bis heute, 50 Jahre nach dem Unglück, habe er die schrecklichen Bilder nicht vergessen. Sophia Seiderer

Artikel vom 29.09.2004
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