Arbeiten auf der Wiesn! – Der elfte Tag

Albrecht Ackerland – „Meine Wiesn“

Als ich meinen Freund Wolf zur Arbeiterwiesn begleitet habe, und wir uns die ersten Maßen noch vor dem echten Oktoberfest-Start haben schmecken lassen, waren wir uns einig: Nein, auf der Wiesn kann man nicht arbeiten!

Außer: als Journalist. Meinte ich zumindest damals. Solche Sprüche sind zur Zeit zwar hart, schließlich haben viele Menschen momentan keine Arbeit, überall kriselt´s, keiner hat mehr Geld. Da sollte man eigentlich froh sein, mit dem Oktoberfest einen Riesen von Arbeitgeber zu haben. Und schließlich kann man nicht von jeder Arbeit erwarten, dass sie ein besonders hohes Niveau hat. Irgendjemand muss halt die Fahrchips einsammeln, muss Brezn liefern und Krüge waschen. Eigentlich gebührt einer Arbeit auf der Wiesn ordentlich Respekt, denn verdienen kann man nicht viel, und an Belastung ist sie kaum zu überbieten. Körperlich sowieso, aber ich kann mir gut vorstellen, dass auch die seelische Gesundheit arg darunter leidet. Ich kenne ein paar Bedienungen, die sind nach den 16 Tagen erst einmal krank, und zwar richtig, und danach sind sie buchstäblich reif für eine Insel, was den Verdienst schon wieder ganz schön einschrumpft. Egal welchen Job man macht, man hat es eigentlich immer mit Lärm und Suff zu tun. Auch wenn man öfters mal hört, dass Polizei und Sicherheitsdienste in den Zelten über die Strenge schlagen – man braucht sie halt trotzdem. Ich möchte das nicht machen müssen. Maßkrugwächter. Komasuff-Versorger. Kotz-Schutz-Liegen-Fahrer. Schläger-Bändiger. Grapsch-Schützer. Schichtl. Mandelbrenner. Naja, gut, Mandelbrenner vielleicht noch am ehesten. Jedenfalls hab ich mich entschieden, von der Wiesn zu berichten. Ich habe es schon erwähnt – ich dachte, das ginge. Also als Journalist auf der Wiesn zu arbeiten. Ich habe mich getäuscht. Man will ja, um den Job gut zu machen nicht nur sehen, sondern selbst die Erfahrung machen, wie sich der gemeine Besucher so fühlt. Sagen Sie jetzt bitte nicht, was, der Ackerland weiß doch wie sich ein Wiesnbesucher fühlt, der war doch bestimmt schon fünfhundert Mal auf der Wiesn in seinem Leben. Ja, Sie haben ja recht. Die Frage für mich aber ist, ob ich zum Beispiel morgen nun als Reporter oder als privater Ackerland hingehe. Am ersten Sonntag war ich nämlich zum Arbeiten da, quasi als embedded Ackerland. Meine vier Maß hab ich da eher schlecht vertragen. Verträgt man sie als Privatmann besser? Oder sogar mehr? Ich werde es Ihnen berichten! Aber: Wenn ich das tue, war ich ja doch wieder zum Arbeiten auf der Wiesn. Sie sehen: Auf der Wiesn arbeiten ist schwierig. Außer vielleicht als Privatier.

Artikel vom 28.09.2004
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