Gedenkstein für die Flugzeugopfer von ’58

Steine können reden

Joy Worth, Witwe des umgekommenen ManU-Kapitäns zusammen mit Bobby Charlton	F: dkö

Joy Worth, Witwe des umgekommenen ManU-Kapitäns zusammen mit Bobby Charlton F: dkö

Die Straßenkreuzung Rappenweg/Emplstraße in Kirchtrudering. Im Minutentakt brausen hier unter ohrenbetäubendem Lärm die Autos, die Lastwagen und Containertransporte an den kleinen Reihenhäusern und den etwa 60 Menschen, die sich um einen unspektakulär anmutenden Stein versammelt haben, vorbei. Wenig lässt vermuten, dass diese Straßenkreuzung eine dramatische Geschichte hat.

Gedenken der Flugzeugopfer von ’58
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Eine Geschichte, an die seit vergangenen Mittwoch ein neuer Gedenkstein erinnert. Etwa 30 Personen und ebenso viele Journalisten waren gekommen, um einem bereits 46 Jahre zurückliegenden Tag zu gedenken. Fußballer, Zeitzeugen, Schaulustige. Unter Ihnen: Sir Bobby Charlton, englische Fußballlegende und wie durch ein Wunder Überlebender eines unvergessenen Unglücks.

Rückblende ins Jahr 1958: München bereitet sich auf die 800 Jahr-Feier vor, am anderen Ende der Stadt werden erste Flughafenproteste laut. Zurecht, wie sich am 6. Februar zeigen sollte. Beim Absturz einer Chartermaschine bei Riem sterben 24 Menschen, darunter auch acht Spieler des Fußballclubs Manchester United.

Die Fußballer kamen aus Belgrad, hatten dort den örtlichen Verein „Roter Stern“ mit 5:4 besiegt.

Die Maschine sollte in München eigentlich nur auftanken. „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an dieses Unglück denke“, erzählt er mit leiser Stimme und feuchten Augen. „Wir hatten es damals so weit geschafft, die Mannschaft fühlte sich unbesiegbar. Und dann das“. Den Ruhm, der ihm mit der damaligen Mannschaft versagt blieb, holte sich Charlton zehn Jahre später.

1968 schoss er im Finale des Pokals der Landessieger zwei Tore gegen Benfica Lissabon und „gewann den verdammten Cup“ für seine verstorbenen Mitspieler. „Ich danke allen Münchnern und ganz besonders den Bürgern von Kirchtrudering, dass sie uns nie vergessen haben. Es macht mich froh, hier stehen zu dürfen“. Bobby Charlton zittert.

Ob es am Wetter oder an der Erinnerung liegt, lässt sich nicht feststellen. Gemeinsam mit Bürgermeisterin Gertraud Burkert, den heutigen ManU Trainer Alex Ferguson und dem Vorstandsmitglied des FC Bayern, Karl Heinz Rummenigge, enthüllte er den neuen Gedenkstein. „Das ist Bobbys Moment.

Ich freue mich sehr, dass er das noch erleben darf“, freut sich Ferguson. Und Karl Auer, Präsident des TSV 1860 München, damals zarte elf Jahre alt, erinnert sich: „Das war ein sehr dramatisches Ereignis. Selbst wir Kinder haben das mitbekommen.“

Die Tragödie fand weltweite Anteilnahme, auch die Münchener Bürger, besonders aus Kirchtrudering, werden diesen Tag nie vergessen. Viele hatten damals spontan geholfen, die Verletzten auf Pritschenwägen ins Krankenhaus gebracht.

Danach erinnerte nicht mehr viel an diese Tragödie. Der Weg zum neuen Gedenkstein beginnt 1998.

Auf Vorschlag der katholischen Kirchengemeinde St. Peter errichtet das Baureferat ein Hinweisschild: „Zum Gedenken an die Opfer der Flugzeugkatastrophe am 06.02.1958“. Nur ein unauffälliger Blumenkasten, dennoch avancierte Kirchtrudering bei Auswärtsspielen Manchesters für die Fans zum Wallfahrtsort. Sie legen Kreuze, Briefe und Blumen nieder. 2001 bittet der bayerische Landtagsabgeordnete Hermann Memmel den Oberbürgermeister um eine würdigere Gedenkstätte.

Nach weiteren Gesprächen, auch mit Manchester United selbst, fiel schließlich die Entscheidung für die neue Gedenkstätte. Bezahlt und entworfen wurde der Stein von Manchester United. „Das wurde dann auch so übernommen“, erklärt Hermann Memmel. Und der Pfarrer der Gemeinde St. Peter sagt: „Das ist nicht nur ein Stein. Steine können reden, er hat eine Geschichte“. Die wird er jetzt erzählen. Den Autos, den Lastwagen, den Containertransportern. Und den Fans von Manchester United. An der Straßenkreuzung Rappenweg/Emplstraße in Kirchtrudering. Von Daniel Köhler

Artikel vom 23.09.2004
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