Maßkrugfahndung - Der dritte Tag

Albrecht Ackerland – „Meine Wiesn“

Eines kann ich überhaupt nicht verstehen: Warum nimmt jemand einen Maßkrug von der Wiesn mit? Einen vollkommen unspektakulären Glaskrug. Mag ja sein, dass er längst ein Design-Klassiker ist. Aber so schön ist er nun auch wieder nicht. Ein Maßkrug gehört ins Bierzelt oder in den Biergarten, und nicht daheim ins Wohnzimmerregal. Was machen diese Menschen also mit den Krügen daheim?

Bier draus trinken? Ich glaub ja eher nicht. Bei mir zu Hause steht auch ein solcher Krug im Küchenschrank. Wie er dort hin kam, ist mir ein vollkommenes Rätsel. Irgendjemand muss ihn mitgebracht haben. Vor Jahren. Wieso bringt einer dem Ackerland einen Maßkrug? Wenn Sie sich das gerade fragen, sind Sie nicht allein. Ich frage es mich auch jedes Mal, wenn ich ihn da so stehen sehe. Eigentlich will ich ihn schon ewig wegschmeißen. Aber irgendwie komm ich einfach nicht dazu. Jetzt wäre außerdem die falsche Zeit dafür – was würden die Leute von mir denken? Wenn ich so die Tegernseer Landstraße entlang gehe, vormittags mit einem Maßkrug, und jemand fährt vorbei, sagen wir ein Pärchen, das mich kennt. Aber jetzt, wo ich so drüber nachdenke, eigentlich würde ich den Satz schon gern mal hören: „Hey, Schatz, schau, was macht´n da Ackerland da mit ner leeren Maß um elf vormittags?“ Für Sie an dieser Stelle ein kleines Rätselspiel: Was ist das Besondere im Satz – dass die Maß leer ist, dass ich überhaupt eine dabei hab oder dass es elf ist? Jedenfalls würd’ ich mich während der Wiesn nicht trauen, mit einer Maß außerhalb von der Wiesn rumzulaufen. Die Polizei sieht das nämlich nicht so gern. Nicht, dass es mir dann so geht, wie dem Amerikaner, der letztes Jahr im Hofbräuhaus eine Krug mitgehen hat lassen und dann vier Wochen in U-Haft saß.

Artikel vom 21.09.2004
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