Graffiti & Co.: »Brücke« bietet seit 30 Jahren Alternativen zum Jugendarrest

Buße mit der Wurzelbürste

Seit Anfang September haben die Jugendlichen das  »Hexenhäusl« (rechts) von Graffiti gereinigt und neu gestrichen. Derzeit bearbeiten sie die Friedhofsmauer an der Flurstraße.	Fotos: Brücke

Seit Anfang September haben die Jugendlichen das »Hexenhäusl« (rechts) von Graffiti gereinigt und neu gestrichen. Derzeit bearbeiten sie die Friedhofsmauer an der Flurstraße. Fotos: Brücke

Haidhausen · Mal ein Radl »ausgeliehen«, einen Lippenstift im Kaufhaus eingesteckt oder im Vorbeigehen auf einer Hausmauer persönliche Spuren hinterlassen mit aufklärerischen Weisheiten wie »Schwarzfahren ist ein Menschenrecht« oder einem markanten Schriftzug.

Bei solchen und ähnlichen Vergehen sucht der in der Einsteinstraße 92 ansässige Verein »Brücke München« seit 30 Jahren nach pädagogisch sinnvollen Alternativen zum Jugendarrest. Als der bundesweit erste seiner Art organisiert der Verein seit 25 Jahren für straffällig gewordene, aber rundum geständige und einsichtige Jugendliche Alternativen zum Arrest: mittels gemeinnütziger Arbeit.

Etwa jährlich 3000 Jugendliche bis 18 Jahren kommen damit auf diesem Wege nach richterlicher Weisung zur »Brücke«. Daneben kümmert sich der Verein auch um Täter-Opfer-Ausgleich und andere Projekte, die helfen, Gefängnis- und Geldstrafen zu vermeiden und die »Jugendsünden« zu tilgen.

Zu diesen Jugendsünden gehört auch Graffiti. »Die meist unleserlichen Schriftzüge sind nicht wirklich kriminell, richten aber einen ernormen Schaden an, sowohl für das Stadtbild, wie auch für die Geldbeutel der Wandeigentümer«, meint Wolfgang Goß, für Graffiti zuständiger Sozialpädagoge bei der »Brücke«.

Damit »Brücke« den Jugendlichen bei Graffitidelikten helfen kann, darf der Sachschaden 20.000 Euro nicht übersteigen, müssen die Jugendlichen 14 bis 18 Jahre alt sein, in München wohnen, ihre Taten komplett gestehen und bereit sein zu gemeinnütziger Arbeit. Der Verein arbeitet dabei eng mit der Polizei, der Bahn und dem Graffitiprojekt »Färberei« in der Claude-Lorrain-Straße zusammen und vermittelt vor allem bei der Schadenswiedergutmachung zwischen den Tätern und den Geschädigten.

Wo immer es geht, sollen die Verursacher ihren Schaden auch selbst beseitigen. Mit Wurzelbürste, Spezialreinigungsmitteln und Fassadenfarbe, gestellt von der »Brücke«, müssen sie ihrem Werk selbst zu Leibe rücken.

»Beim Haidhauser Alten- und Servicezentrum, dem ›Hexenhäusl‹ in der Wolfgangstraße, und bei der Friedhofsmauer in der Flurstraße, das wir im Moment bearbeiten und die beide mit einer Reihe von Graffiti beschmiert wurden, war das leider nicht möglich«, berichtet Goß, »da die Täter unbekannt blieben.«

Stattdessen werden die beschmierten Wände nun von vier 16- bis 17-Jährigen bearbeitet, die wegen anderer Delikte gemeinnützige Arbeit absolvieren müssen. »Stammkunden« seien nur ein kleiner Teil seiner Schützlinge, bilanziert Goß über den Erfolg der »Brücke«.

»Die meisten haben was angestellt, werden erwischt und büßen dafür – eine einmalige Jugendsünde eben.« Michaela Schmid

Artikel vom 15.09.2004
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