Die Pokalsensation bleibt aus, trotzdem gibt es beim EHC fast nur glückliche Gesichter

Auf Augenhöhe

Bester Mann auf dem Eis: Joey Vollmer  Foto: mh

Bester Mann auf dem Eis: Joey Vollmer Foto: mh

Es sind noch 13 Sekunden zu spielen im ersten Pokalspiel der Vereinsgeschichte des EHC München, als die Uhr stoppt, und EHC-Trainer Schorsch Kink mit hektischen Handbewegungen eine Auszeit einfordert. Kink darf mit seiner Mannschaft sprechen. Es sind noch 13 Sekunden, und der EHC München liegt mit 1:2 hinten gegen den Vizemeister aus der DEL, der mit allen Starspielern in die Landeshauptstadt gereist ist.

Für einen kurzen Moment stehen alle Münchner um ihren Coach herum – Brearley, Burman, von Schilcher und die anderen, die sechzig Minuten lang den Berlinern nicht nur Paroli geboten, sondern das Spiel ab dem zweiten Drittel auch bestimmt hatten. Coach Kink zeigt den Spielern auf einem karierten Blatt Papier seinen Plan zum Ausgleich und dann ertönt auch schon wieder die Sirene: die Auszeit ist vorbei, die letzte Chance noch nicht. Nicht mehr auf dem Eis ist jetzt der beste Spieler an diesem Tag, Joey Vollmer, der hervorragend aufgelegte Münchner Goalie. Statt dessen fünf Stürmer und mit Thomas Vogl immerhin ein Verteidiger. Und es ist eben jener schussstarke Verteidiger, der gleich die letzte Chance bekommen wird, um ein tolles Spiel vielleicht mit einem noch besseren Ergebnis abzuschließen. Er scheitert. Sein platzierter Schuss wird vom Berliner Goalie Oliver Jonas abgewehrt. Der Torhüter der deutschen Nationalmannschaft ist an diesem Abend in einer ähnlich guten Form wie sein Münchner Kollege. Es ist vorbei, die Sensation ist ausgeblieben. Nach einem Eishockeyspiel, in dem ein Klassenunterschied zwischen DEL und Oberliga nur selten zu sehen war, steht Berlin in Runde zwei. München bleibt höchstens die Bezeichnung „Meister der Herzen“. Davon können sie sich nichts kaufen, stolz waren am Ende dennoch alle auf die Spieler des EHC München. Die Fans, weil sie eine Mannschaft gesehen hatten, die den Berlinern konditionell überlegen und spielerisch teilweise sogar ebenbürtig war und mit Verteidiger Mike Burman und vor allem Goalie Joey Vollmer Spieler in ihren Reihen hat, die hinten „dicht“ machen können. Die Verantwortlichen, weil das Spiel mehr als 2500 Zuschauer in die Eishalle gelockt hatte. Und Coach Kink, weil „wir nach drei Wochen auf dem Eis heute auf den Punkt topfit waren und die Mannschaft super gespielt hat.“ Tatsächlich hätte der EHC das Spiel gegen das als übermächtig geltende Team sogar gewinnen können, ja müssen: Von Anfang an zeigten die Münchner kaum Respekt vor den Berliner Stars. Zwar waren die Berliner am Stock und auf den Schlittschuhen klar stärker, aber die EHC-Cracks kämpften um jeden Puck und kamen zu mindestens ebenso vielen Chancen wie die Jungs von der Spree. Und auch die teilweise umstrittenen Schiedsrichterentscheidungen ? das Führungstor der Berliner wurde aus stark abseitsverdächtiger Position erzielt, Mario Jann wurde nach einem selbst erlittenen Foul auf die Strafbank gesetzt ? brachte die Spieler nicht aus dem Tritt. Es war ein Spiel, das viel zur Legendenbildung hätte beitragen können. Etwa, wenn Mario Jann im dritten Drittel nach seinem Ausgleichstor auch seinen Penalty getroffen hätte, oder wenn von Schilcher einen seiner vielen Konter erfolgreicher abgeschlossen hätte, oder wenn man im ersten Drittel gegen nur drei Berliner Feldspieler den Führungstreffer erzielt hätte. Doch das alles bleibt im Konjunktiv. Die Realität ist, dass „meine Spieler heute gesehen haben, dass in der DEL körperbetonter gespielt wird. Da herrscht ein ständiger Kampf Mann gegen Mann auf zwei Quadratmetern vor“, und dass die Münchner Fans auch bei Niederlagen jubeln können. Realität ist auch, dass der EHC unter Kink, nachdem es in den Testspielen etliche Zeitstrafen setzte, in Pflichtspielen wohl nicht brutaler spielen wird als im letzten Jahr: „Ich habe meinen Spielern immer gesagt, dass sie sich in Testspielen nichts gefallen lassen sollen. Wer mit dem Stock einen Schlag auf den Kopf bekommt, soll dem Gegner gleich zwei Schläge hinterher geben. Ich finde es aber gut, dass sie heute so fair gespielt haben. Denn in Pflichtspielen geht es ja um was, da muss sich jeder am Riemen reißen und sich in den Dienst der Mannschaft stellen“, so Coach Kink nach dem Spiel. In den Dienst der Mannschaft stellen können sich die Spieler wieder am Freitag beim ersten Heimspiel der Oberliga-Saison gegen den ESV Hügelsheim (ab 20 Uhr). Filippo Cataldo

Artikel vom 13.09.2004
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