München hält an Software-Umstellung fest und will Patentrichtlinie verhindern. CSU übt heftige Kritik

Stadt kämpft für Linux

Nachdem die Umstellung der städtischen Rechner auf Linux vorübergehend ausgesetzt worden war, stellt sich München nun an die Spitze der Open-Source-Bewegung.

Open-Source bezeichnet freie Software, die keinem Konzern gehört und von jedermann weiterentwickelt werden kann. Der Stadtrat hatte beschlossen, die 14.000 städtischen Computer für 30 Millionen Euro von Microsoft Windows auf das freie Linux umzurüsten. Nachdem auf europäischer Ebene ein Richtlinienentwurf zum Patentschutz bekannt geworden war, warnten Branchenkenner vor unkalkulierbaren Risiken für die Stadt. Das Verfahren zur Umrüstung wurde daher vorvergangene Woche ausgesetzt (das SamstagsBlatt berichtete).

Nach einer „Denkpause von wenigen Tagen“ geht die Stadt nun in die Offensive. „Nichts ist auf Eis gelegt, nichts ins Schlingern geraten“, verkündete Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) diesen Mittwoch. Das Ausschreibungsverfahren für die Umstellung der städtischen Rechner laufe nun wieder, gleichzeitig gab die Stadt ein Rechtsgutachten in Auftrag. Der erste Schritt des Verfahrens, der Teilnehmerwettbewerb, sei in einem Monat abgeschlossen. Wenn das Rechtsgutachten dann Sicherheit verspreche, laufe alles weiter wie geplant. Andernfalls müsse man das Verfahren aussetzen und sich darauf konzentrieren, den Gesetzgebungsprozess in Brüssel zu beeinflussen.

Hintergrund sind Pläne des EU-Ministerrats, die Patentrechtlinie zu verschärfen. Das Europäische Parlament hatte einen Entwurf verabschiedet, mit dem die Open-Source-Gemeinde gut leben kann. Die Minister hätten nun aber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens „alle Klarstellungen zu Gunsten von Open-Source gestutzt oder herausgestrichen“, kritisiert Ude. Als Folge könnten unter Umständen erhebliche Lizenzgebühren auf die Stadt zukommen und Linux nur noch schwerlich weiterentwickelt werden. Damit wären die langfristigen – auch finanziellen – Vorteile in Frage gestellt, die sich die rot-grüne Stadtratsmehrheit von der Umrüstung erhofft hatte.

OB Ude will es allerdings nicht bei einer rechtlichen Prüfung belassen: „Wir leiten eine Offensive ein, damit viele Städte und Organisationen Einfluss auf die politische Debatte nehmen.“ Der Oberbürgermeister will sich in den kommenden Tagen an die EU-Gremien, die Bundesregierung und den Bundestag wenden. Ziel sei die Rückkehr zum Richtlinienentwurf des Europäischen Parlaments, der eine „nahtlose Übereinstimmung“ mit der Position der Stadt aufweise. München weiß sich in dieser Bestrebung einig mit der Stadt Wien, dem niederländischen Parlament und der Open-Source-Gemeinde. Die Bundesregierung vertritt gegenwärtig den Standpunkt, dass auch der neue Richtlinienentwurf keine Gefahr für Open-Source-Software darstellt. Wenn dem tatsächlich so sei, dann müsse die Bundesregierung der Stadt Rechtssicherheit garantieren, forderte Ude.

Mit ihrer jüngsten Politik folgt die Stadtspitze den Forderungen des Grünen-Stadtrats Jens Mühlhaus. Dieser hatte bereits Ende Juli vor einem „unkalkulierbaren Schaden“ durch die Pläne des Ministerrats gewarnt. Die Stadt solle sich deswegen bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dass nicht der Beschluss des Ministerrats, „sondern die Position des Europäischen Parlaments zur Grundlage der deutschen Politik gemacht wird.“

Die CSU hält dagegen das gesamte Linux-Projekt für ein „finanzielles Risiko erster Güte“. Die christsozialen Stadträte Helmut Pfundstein und Robert Brannekämpfer reagierten daher erneut mit Kritik auf die jüngste Entwicklung: „Die CSU hat schon immer vor den erheblichen Kosten, aber auch den noch ungeklärten Risiken gewarnt.“ Wieder einmal zeige sich, dass „die CSU-Fraktion mit ihren Bedenken rechtzeitig den Finger in die Wunde gelegt hat!“

Artikel vom 12.08.2004
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