Filiale in Afghanistan: Sozial-Initiative »Dynamo Fahrradservice« am Ostbahnhof

Unsere Werkstatt in Kabul

Die Rad-Werkstatt in der Haager Straße.	  Foto: Privat

Die Rad-Werkstatt in der Haager Straße. Foto: Privat

Berg am Laim · Still und herrenlos rosten sie vor sich hin: an Plätzen, an Straßenlaternen gekettet, manchmal ohne Reifen und längst vergessen oder auch in irgendwelchen dunklen Kellerecken (als Überbleibsel längst verzogener Hausbewohner).

Dass diese Radl-Friedhöfe kein Fall für die Müllhalde sind, beweist eine ungewöhnliche Werkstatt in der Haager Straße 11 hinter dem Ostbahnhof.

Der »Dynamo Fahrradservice« sammelt seit 1986 gebrauchte, gut erhaltene Fahrräder von Privatpersonen, Hausverwaltungen und vom Straßendienst. Brauchbare Fahrradteile aller Art werden hier sortiert und überholt. Anschließend werden sie entweder für die Montage von Gebrauchträdern verwendet, verkauft oder als Ersatzteile für Reparaturen angeboten.

»Wir nehmen alles. Die Räder sollten nur nicht schrottreif sein, können aber reparaturbedürftig sein«, erzählt »Dynamo«-Geschäftsführerin Karin Lohr. Besonders Kinderräder sind willkommen. Geld können die Spender dafür aber nicht erwarten. Denn bei »Dynamo« handelt es sich um keine kommerzielle Werkstatt, sondern um einen sozialen Betrieb im zweiten Arbeitsmarkt, gefördert von der Landeshauptstadt München (zu 45 Prozent) und Arbeitsamt (zu 30 Prozent). Den Rest, 25 Prozent, erwirtschaftet der Fahrradladen mit Recyclingwerkstatt in der Haager Straße.

Den Dynamo Fahrradservice gibt es seit 1986 und derzeit bietet er 16 Arbeits- und Ausbildungsplätze, auf denen sich ehemals arbeitslose Menschen als Fahrradmechaniker, Lagerverwalter und Bürokraft qualifizieren können. Im Betrieb werden Gebrauchträder aufgearbeitet und verkauft sowie Fahrräder repariert. »Vergangenes Jahr haben drei Mitarbeiter nach ihrer Ausbildung einen festen Job gefunden«, berichtet Lohr stolz, »zwei davon sogar in einem großen Münchner Fahrradfachgeschäft, dem Radlbauer.«

Einer, der dank dem Integrationsprojekt den Einstieg in den normalen Arbeitsmarkt geschafft hat, ist Bazmohammad Josufie. Der gebürtige Afghane, seit 1977 in München, war von 1992 bis 1997 als Fahrradmechaniker bei »Dynamo«. Mittlerweile führt er hier einen Wäschereibetrieb. Und im vergangenen Jahr hat er eine Fahrradwerkstatt begründet: »RAD« in Kabul.

Ende Juli wurden nun zum zweiten Mal 400 Räder in die afghanische Hauptstadt geschickt. Sie werden dort von fünf einheimischen Mechanikern hergerichtet und verkauft – als preiswertes und ökologisches Verkehrsmittel in einem Land mit geringer öffentlicher Infrastruktur. Was also Josufie in München geholfen hat, verheißt nun für seine, von jahrelangem Krieg gezeichneten Heimat, eine neue Perspektive.

Artikel vom 10.08.2004
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