Kein Engpass mehr bei Unterbringung Wohnungsloser

Ein Dach kriegt jeder

Wenn es nach der Stadtverwaltung ginge, müsste niemand unter den Isarbrücken schlafen.	Foto: aa

Wenn es nach der Stadtverwaltung ginge, müsste niemand unter den Isarbrücken schlafen. Foto: aa

Viele Münchner mussten es am eigenen Leib erleiden: Die Wirtschaft boomte, immer mehr sehr gut verdienende Menschen zogen nach München, die Nachfrage nach Wohnungen stieg, und damit stiegen auch die Mietpreise in astronomische Höhen. Gleichzeitig vergrößerte sich auch die Zahl der wohnungslosen Menschen. Der große Boom ist nun seit längerem vorbei, viele bekommen das zu spüren. Einen Job zu finden, ist auch in München nicht mehr ganz leicht.

Was akute Wohnungslosigkeit bei Menschen in München betrifft, hatte die Stadt in den letzten Jahren stark zu kämpfen. Jedem Menschen muss ein Dach über dem Kopf gewährleistet sein, so ist die Regel. „Wir haben wie wahnsinnig Notquartiere gebaut“, erinnert sich Monika Niedermayer, Sprecherin des Sozialreferats, „aber jetzt ist der Druck aber nicht mehr so groß, wir sind gewappnet und haben sogar Reserven“.

Erstmals seit 1999 steige die Zahl der wohnungslos gewordenen Männer, Frauen und Kinder nicht mehr an, der Grund sei eben jene Entspannung auf dem Wohnungsmarkt. Zwischen 1999 und 2003 hatte sich die Zahl der akut wohnungslos gewordenen Menschen verdoppelt, im Dezember 2003 waren 2.576 Menschen ohne Wohnung.

Zurzeit stehen 2.749 Plätze in 22 Notquartieren zur Verfügung. Eines dieser Notquartiere ist das Übernachtungsheim für Männer an der Pilgersheimer Straße in Untergiesing. 2003 nächtigten dort insgesamt 1.600 obdachlose Männer, die Hälfte von ihnen kannte man dort schon aus den Jahren davor. Einer davon ist Erwin. Der 47-Jährige ist schon vor Jahren die soziale Leiter runtergestolpert. Die meiste Zeit verbringt er in München, hier kennt er mittlerweile etliche Schicksalsgenossen. „In der wärmeren Zeit bin ich meistens unter einer der Brücken.

Dort ist mehr Gemeinschaft als in den Männerheimen“, berichtet Erwin. Im Wechsel unter Reichenbach- und Wittelsbacherbrücke richten sich etliche Obdachlose regelrecht häuslich ein. „Das ist ja ein Teil Münchens geworden, gehört fast schon zur Kultur hier“, meint Monika Niedermayer vom Sozialreferat.

Das Leben unter der Brücke würde toleriert, nur wenn Matratzen, Betten, Sessel und andere sperrige Habseligkeiten den Raum unter den Brücken im wahrsten Sinne des Wortes „zumülle“, schreite das Baureferat ein. Immer wieder versuchten ganze Scharen von Sozialpädagogen die Menschen unter den Brücken in ein angepassteres Leben zu führen, doch alle Versuche seien vergebens gewesen. „Es gab immer um die 600 Leute in München, die auf Platte machen. Sie könnten alle untergebracht werden, aber viele wollen einfach nicht in Notquartiere. Und zwingen kann man sie nicht“, so Niedermayer.

Auch Erwin, der von der Brücken-Gemeinschaft, will sich nicht zwingen lassen: „Ich mag es hier draußen. In den Heimen wird nur ständig geklaut, viele sind aggressiv. Nur wenn es vom Wetter her gar nicht anders geht, bin ich mal im Pilgersheimer für ein, zwei Nächte.“ Von Albrecht Ackerland

Artikel vom 01.07.2004
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