Stuckrad-Barre liest in der Muffathalle

Alles ist alles

Wenn das Ego auf der Wiese liegt: Benjamin will keine Krise mehr.	Foto: VA

Wenn das Ego auf der Wiese liegt: Benjamin will keine Krise mehr. Foto: VA

Eine Meinung hat jeder von ihm, wirklich jeder, der sich auch nur im Ansatz für das (Pop-)Kultur-Geschehen in Deutschland interessiert. 1998 erscheint Benjamin von Stuckrad-Barres erster Roman. Seit kurzer Zeit belegte schon ein Begriff nahezu sämtliche Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und TV-Sender: Popliteratur.

Der Name für eine Art neuer Schreiber-Generation ist gefunden, für einen neuen Stil, den keiner so recht eingrenzen oder beschreiben kann. Dem keiner angehören will. Über den aber alle schreiben. Die Kunde vom Pop ist in aller Munde.

Dann also, 1998, erscheint „Soloalbum“, und die Szene, die Fans, die Hasser und die Neider haben eine Gestalt zum Rausstellen: Stuckrad-Barre, von nun an der oberste aller Pop-Literaten. Überschwänglich sind die Lobeshymnen, zerfetzend die Verrisse. Gerade 23 Jahre ist der Schriftsteller, dessen Prominenz nun seinen Lauf nimmt. Es erscheinen weitere Bücher, er schreibt für verschiedene Zeitungen, füllt bei seinen Lesungen Hallen mit hunderten von Menschen, moderiert eine eigene Buch-Sendung beim Musikkanal MTV. Sein Erfolg ist unübersehbar. Und weiterhin verachten ihn sowohl große Teile des angesehenen Kulturbetriebs, als auch so mancher Nichtleser, der einfach auch etwas zu ihm zu sagen haben will.

Der Pop-Literat sonnt sich, feiert unablässig, ist präsent allerorten, ob bei Fernseh-Talkshows oder auf Konzerten seiner geliebten Band „Oasis“. Er wird der Geliebte von Anke Engelke. Ein Star im Zirkus, so ist das Bild nach außen. Das Innere kommt erst kürzlich zu Tage: Stuckrad-Barre leidet unter Magersucht, ist kokainabhängig und Alkoholiker, leidet unter schweren Depressionen. Dass er dies unlängst öffentlich beichtete, ob bei Reinhold Beckmann im Gespräch, in einer Fernsehdokumentation oder im Interview mit dem „Spiegel“, das wird ihm nun wieder von seinen Kritikern und Verächtern vorgeworfen. Das alles sei nur wieder Werbung für sein neues Buch.

„Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft - Remix 2“, so ist der kantige Titel von Stuckrad-Barres neuem Werk. Der 29-Jährige sammelt darin Verschiedenstes. Schon im Jahr 2000 erschien „Remix 1“, eine Sammlung seiner journalistischen Texte, „Remix 2“ soll als Fortsetzung angesehen werden, auch wenn sich laut Verlag „die Grenzen zwischen literarischer und journalistischer Produktion seither immer mehr verwischt haben“. Der Autor sieht sich als Jäger, Sammler und Kronzeuge. Er beschreibt Tatsachen wie in einer Erzählung, er reportiert, montiert, protokolliert, knapp die Formulierungen, reich die Aussagen und sprachlichen Bilder. Stuckrad-Barres neueste Lieblingsbeschäftigung scheint das bloße Abschreiben geworden zu sein.

Ein ganzer Buchteil ist Bushaltestellen, Gedenkstätten, Touristenzielen und all den Orten gewidmet, wo Menschen etwas hinschreiben. Stuckrad-Barre sieht dieses „hinschreiben“ als Bestätigung, dass einzelne Menschen da waren - ein Beweis für sie selbst. Stuckrad-Barres Schreiben ist in hoher Auflage zu kaufen und streckenweise sehr amüsant und nachdenklich stimmend.

Am Donnerstag, um 20 Uhr, stellt der Autor sein neues Buch in der Muffathalle vor. Von Albrecht Ackerland

Das SamstagsBlatt verlost drei Bücher des neuen Werkes von Benjamin von Stuckrad-Barre. Einfach Mail an gewinnspiele@samstagsblatt.de

Artikel vom 17.06.2004
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